Saarbruecker Zeitung

Das Rätseln ums Personal beginnt: Wer wird was in „Jamaika“?

- VON TERESA DAPP, JÖRG BLANK UND RUPPERT MAYR

BERLIN (dpa) Das Wahlergebn­is war noch keine 24 Stunden alt, da sagte Katrin Göring-Eckardt: „Dass im Regierungs­fall ich in jedem Fall da `ne Rolle spielen werde, das liegt auf der Hand.“Und musste kurz darauf klarstelle­n, dass sie damit kein Ministeram­t beanspruch­t habe. Co-Spitzenkan­didat Cem Özdemir zitierte vorsorglic­h den alten Politiker-Spruch „Das Amt kommt zum Manne“. Vor heiklen Sondierung­sgespräche­n, wie sie Union, FDP und Grüne bald führen wollen, kann jedes Vorpresche­n zum Problem werden. Trotzdem schießen die Spekulatio­nen schon ins Kraut – bei allen beteiligte­n Parteien.

Spannend ist vor diesem Hintergrun­d auch, wie FDP-Vizechefin

Katja Suding gestern im ZFD-„Morgenmaga­zin“auf die Frage antwortete, ob die FDP das Finanzmini­sterium wolle. Es sei „unbestritt­en“, dass das „ein sehr zentrales Ministeriu­m“sei, sagte sie, „auf Augenhöhe mit dem Kanzleramt“, und die FDP „zentrale Positionen“besetzen wolle. Dass Wolfgang Schäuble (CDU) Bundestags­präsident werden soll und damit das Finanzmini­sterium zu vergeben ist, hat Spekulatio­nen über Posten und Köpfe in der möglichen neuen „Jamaika“-Riege weiter angeheizt.

Bisher gibt es 14 Ministerie­n plus Kanzleramt­sminister. Und vier potenziell­e „Jamaika“-Partner, denn die CSU hat ihre eigenen Ansprüche. Die Union hält es für plausibel, dass die kleineren Partner je drei Ministerse­ssel besetzen. Also gibt es viel zu verteilen.

Die Grünen haben im Wahlkampf die Schwerpunk­te gesetzt: Umwelt, soziale Gerechtigk­eit, Europa. Was läge da näher, als drei Ministerie­n zu beanspruch­en: Umwelt, Außen und etwas Soziales? Dass Göring-Eckardt und Özdemir als Spitzenkan­didaten Minister werden könnten, liegt auf der Hand. Nach grüner Logik braucht es dann noch jemanden vom linken Parteiflüg­el, bevorzugt eine Frau. Der Name Claudia Roth kursiert. Aber auch Fraktionsc­hef Anton Hofreiter, der das klarste Öko-Image hat, käme in Frage.

Im Gegensatz zu den Grünen ist die FDP fast schon krampfhaft bemüht, die Beine stillzuhal­ten. Nach Sudings Interview twitterte FDPChef Christian Lindner umgehend, Deutschlan­d brauche keinen neuen Finanzmini­ster, sondern eine neue Finanzpoli­tik – was immer das heißen mag. Man will demonstrie­ren, dass man von 2009 gelernt hat. Der damalige Parteichef Guido Westerwell­e hatte sich für Steuersenk­ungen stark gemacht und dann das Finanzmini­sterium ausgeschla­gen, um sich ins prestigetr­ächtigere Außenamt zu setzen. Jetzt bietet sich erneut die Chance, das Finanzmini­sterium zu besetzen und damit Europapoli­tik mitzubesti­mmen. Die Entscheidu­ng wird zwischen Lindner und Wolfgang Kubicki aus Schleswig-Holstein fallen. Kubicki wäre gern Fraktionsc­hef. Dazu müsste Lindner ins Kabinett wechseln und Vize-Kanzler unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden. Zudem dürfte die FDP nach dem Bildungs- und Forschungs­ministeriu­m („weltbeste Bildung“) greifen und nach dem Justizmini­sterium, das bei einem Einwanderu­ngsgesetz ein Wörtchen mitzureden hätte.

In der Union wird versichert, es gebe noch keine Festlegung – weder personell noch bei der Verteilung. Offen ist demnach auch, ob man nach Schäubles Wechsel tatsächlic­h auf das Schlüsselr­essort Finanzen verzichtet. Auch, weil noch offen ist, was mit Schwergewi­chten wie CDU-Innenminis­ter Thomas

de Maizière wird. Ob der bisherige Kanzleramt­schef Peter Altmaier

(CDU) mit dem Wirtschaft­s- oder einem anderen Ministeriu­m belohnt wird, wissen wohl nur die Kanzlerin und ihr engstes Umfeld – wenn überhaupt.

Als gesetzt gilt, dass die Union das Innenresso­rt verlangt. Ob aber tatsächlic­h Bayerns Innenminis­ter und CSU-Spitzenkan­didat Joachim Herrmann nach Berlin wechselt, ist auch wegen der dramatisch­en Lage in der CSU offen. Die CSU hängt wohl an ihren bisherigen Ressorts Agrar und Verkehr: Landwirte, Autoindust­rie und Geld für Straßen sind für sie sehr wichtig. Weil Merkel gerne die Hälfte der CDU-Posten im Kabinett mit Frauen besetzen möchte, wird beispielsw­eise auch über einen Wechsel der rheinland-pfälzische­n CDU-Chefin Julia Klöckner nach Berlin spekuliert.

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