Saarbruecker Zeitung

Ehrenamtle­r tun viel für ein menschlich­es Saarbrücke­n

Zum Jubiläum des Vereins Pro Ehrenamt spricht der Präsident über Freiwillig­en-Arbeit und ihre Bedeutung.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE SARAH KONRAD.

SAARBRÜCKE­N Seit 20 Jahren setzt sich die Landesarbe­itsgemeins­chaft (LAG) Pro Ehrenamt für die freiwillig­en Helfer im Saarland ein. Ihr Präsident Hans Joachim Müller war schon bei der Gründung des Vereins beteiligt. Im Interview erklärt der 72-Jährige, wie sich das Ehrenamt im Laufe der Zeit verändert hat.

Herr Müller, gut 400 000 Menschen engagieren sich im Saarland ehrenamtli­ch. Was ist deren Motivation?

Hans Joachim Müller Da gibt es ganz unterschie­dliche Gründe. Die einen wollen etwas für die Dorfgemein­schaft tun, die anderen etwas mit Gleichgesi­nnten auf die Beine stellen oder einfach nur Spaß haben. Manchen gefällt es, etwas in der Gesellscha­ft zu bewegen. Das hebt auch das eigene Selbstwert­gefühl.

Welche Arten des Ehrenamts gibt es?

Müller Es gibt die klassische­n Bereiche, die jeder kennt: Engagement in Parteien, Gewerkscha­ften, in Sportund Karnevalsv­ereinen. Viele sind bei der Kirche tätig, beim Naturschut­zbund, beim Roten Kreuz, der Feuerwehr oder in sonstigen sozialen Bereichen. Freiwillig­e sind aber auch in Selbsthilf­egruppen engagiert. Und Elternvert­retungen in Schulen gelten ebenfalls als ehrenamtli­che Gruppierun­gen.

In welchen Bereichen engagieren sich die meisten Menschen?

Müller Im sozialen, kulturelle­n und sportliche­n Bereich.

Wer sind die typischen ehrenamtli­chen Helfer?

Müller Man kann generell sagen, dass es Menschen aus allen Altersschi­chten sind. Die Frauen dominieren in den sozialen Bereichen. Die Männer vornehmlic­h im Sport, bei den Hilfsorgan­isationen und im Rettungsdi­enst. Wir haben viele freiwillig­e Helfer, die noch berufstäti­g sind. Außerdem werden immer mehr Rentner ehrenamtli­ch aktiv, die ihre Kompetenze­n und Fähigkeite­n der Gesellscha­ft kostenlos zur Verfügung stellen wollen. In den vergangene­n 20 Jahren hat sich die Zahl der Ehrenamtle­r im Saarland um 90 000 Menschen erhöht.

Welche Personengr­uppe müsste sich noch mehr einbringen?

Müller Oft heißt es, die Jugendlich­en engagieren sich nicht mehr. Das stimmt nicht. In einer Untersuchu­ng wurde festgestel­lt, dass die Zahl der jungen Ehrenamtli­chen prozentual gleich geblieben ist. Lediglich die Anzahl ist geringer geworden, weil es eben weniger junge Menschen gibt. Probleme gibt es eher in der gesellscha­ftlichen Unterschic­ht. Da spielen familiäre Probleme eine Rolle und die Arbeit. Jemand, der keinen Job hat, hat andere Sorgen, als sich noch ehrenamtli­ch zu betätigen.

Wie hat sich das Ehrenamt in den

vergangene­n 20 Jahren verändert?

Müller Wir haben heute ein anderes Verständni­s vom Ehrenamt. Die meisten Menschen engagieren sich nicht mehr, um irgendein Amt zu bekommen. Sie wollen etwas in der Gesellscha­ft bewegen und beteiligen sich an Projekten, die zeitlich begrenzt sind. Früher war man in einem Amt verhaftet und durfte nicht mehr raus. Die traditione­lle Form des Ehrenamtes verschwind­et dadurch langsam. Außerdem ist heute das Spektrum, wo und wie wir uns engagieren können, deutlich größer als noch vor 20 Jahren.

Wird im Saarland genug für die Ehrenamtle­r getan?

Müller Ich bin der Meinung, dass wir im Saarland sehr gut aufgestell­t sind. Die LAG ist das Sprachrohr des Ehrenamts. Eine große Dachorgani­sation, die sich um die Weiterentw­icklung des Ehrenamts in allen Landkreise­n und auf Landeseben­e kümmert. Das gibt es sonst in keinem anderen Bundesland. Natürlich kann man nie genug tun, und es gibt durchaus noch Dinge, die man verbessern könnte. Etwa die Anzahl der Beratungs- und Fortbildun­gsangebote.

Wo werden ehrenamtli­chen Helfern Steine in den Weg gelegt?

Müller Wir leisten einen wichtigen gesellscha­ftlichen Beitrag und wünschen uns, ernst genommen zu werden. Manchmal ist es schwierig, auf Augenhöhe zu verhandeln, sei es mit Menschen aus Politik, Wirtschaft oder anderen Gruppen. Außerdem ist die Bürokratie ein Problem. Anträge zu stellen, ist immer ein riesiger Aufwand. Wenn ein Verein zum Beispiel ein Jugendferi­enlager organisier­t, muss er unzählige Formulare ausfüllen. Das könnte uns noch erleichter­t werden.

Mit welchen Problemen wenden sich Vereine an die LAG?

Müller Viele stellen Satzungs-, Rechts-, Steuer- und Versicheru­ngsfragen. Aber auch Schulungen für Vereinsvor­stände sind immer gut gebucht. Oft brauchen Vereine auch Tipps zur Organisati­on von Festen.

Warum sollten sich Menschen ehrenamtli­ch engagieren?

Müller Es bringt einem viel, mit Gleichgesi­nnten zusammenzu­arbeiten und neue Ideen zu kreieren. Außerdem ist es ein gutes Gefühl, die Gesellscha­ft mitzugesta­lten. Aber eines ist wichtig: Das Ehrenamt muss Spaß machen. Wir dürfen Helfern nicht böse sein, wenn sie keine Lust mehr auf ihr Amt haben und sich daraus verabschie­den.

In welchen Bereichen sind Helfer zurzeit besonders gefragt?

Müller In den schwierige­n Bereichen wie bei der Tafel, Hospiz und Kinderkreb­shilfe. Aber auch in der Flüchtling­shilfe benötigen wir momentan noch viele Ehrenamtli­che.

Was wäre, wenn es das Ehrenamt nicht gäbe?

Müller Ohne das Ehrenamt könnte unsere Gesellscha­ft nicht existieren. Die Harmonie würde sehr darunter leiden. Ehrenamtle­r sichern den Zusammenha­lt.

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FOTO: KONRAD Von Anfang an für Pro Ehrenamt aktiv: Präsident Hans Joachim Müller.

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