Der Mann, der Jamaika kann
Grün, Gelb und Schwarz können zusammenpassen. Das zeigt die erfolgreich gestartete Regierung in Schleswig-Holstein mit ihrem Chef Daniel Günther.
KIEL (dpa) So gefragt waren Ratschläge eines schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten lange nicht mehr. Seit der Bundestagswahl vergeht kein Tag, ohne dass sich Medien bei Daniel Günther (CDU) nach einem Rezept für ein Jamaika-Bündnis erkundigen. Der 44-Jährige steht seit knapp 100 Tagen an der Spitze eines Regierungsbündnisses aus CDU, Grünen und FDP – bundesweit zurzeit das einzige auf Landesebene und erst das zweite überhaupt nach dem Scheitern im Saarland. Im Norden arbeitet man konstruktiv und ohne großes Gezänk miteinander – bislang.
„Jamaika funktioniert gut in Schleswig-Holstein“, sagt der gelernte Politikwissenschaftler Günther. In den Verhandlungen hätten alle drei die Möglichkeit bekommen, ihre Positionen einzubringen. „Jede Partei braucht auch ,Beinfreiheit’, um ihre politischen Projekte im Koalitionsvertrag verankern zu können.“Vorbedingungen für ein gemeinsames Bündnis hält er für kontraproduktiv. Doch auf Bundesebene ist das längst nicht so einfach – zumal mit der CSU eine vierte Partei mitmachen müsste, die mit ihrem öffentlichen Beharren auf einer Obergrenze für Flüchtlinge oder ihrem angestrebten Schließen der „offenen rechten Flanke“die Ausgangslage für Jamaika erschwert. In Berlin herrscht eine andere Fallhöhe als in Kiel. Das weiß auch Günther. „Ich mache keinen Hehl daraus, dass die Hürden zwischen den Parteien größer sind.“
In Kiel konnte sich die CDU beispielsweise mit der Rückkehr zu G9 an den Gymnasien durchsetzen, die FDP mit dem Wegfall der Pflicht zur Erhebung der Straßenausbaubeiträge in den Kommunen und die Grünen mit der Verankerung des Ökogedankens in der Landespolitik. Jede der drei Parteien kann sich in dem Vertragswerk wiederfinden. Der eigentliche Kitt des Modells ist aber der enge Draht zwischen den führenden Köpfen. „Das Vertrauensverhältnis zwischen allen Beteiligten ist gut – und wird sogar noch stärker“, glaubt FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Für Umweltminister Robert Habeck (Grüne) steckt dahinter harte Arbeit: „Es verlangt viele Telefonate und die Bereitschaft, nicht immer gleich auf die Zinne zu springen, wenn jemand mit irgendwas zitiert ist, was einen ärgert.“
Dazu trägt vor allem auch der Führungsstil Günthers bei. Der junge Familienvater stellte seine Fähigkeiten unter Beweis, als er ein Scheitern der Verhandlungen wegen Streits zwischen FDP und Grünen abwendete. Mit Umsicht einte er die Streithähne. Teambildende Maßnahmen wie ein gemeinsamer Spaziergang bei Dunkelheit durch das Naturschutzgebiet Geltinger Birk an der Ostsee taten in der Folge ihr Übriges. „Das war eine richtige Nachtwanderung“, erinnert sich Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. „Was man vom Kieler Beispiel lernen kann, ist, dass ernsthaftes Bemühen und die Bereitschaft zum Geben und Nehmen eine Grundlage für ein Regierungsbündnis sein kann“, sagt der Politologe Wilhelm Knelangen von der Kieler Uni. „Tatsächlich hat Jamaika damit einen Beitrag dazu geleistet, alte ideologische Gräben und Lagerdenken zu überwinden.“
Doch bei aller Freude: Einen Stresstest musste die Kieler Koalition noch nicht bestehen. Die ersten drei Monate waren vor allem von Anfangseuphorie bestimmt – und nicht zuletzt der Sommerpause. Bis es zum Härtetest kommt, müht sich Günther spürbar um einen fairen Umgang der drei Parteien und lässt den Alphatieren im Kabinett ausreichend Freiraum.