Saarbruecker Zeitung

Firma Voit startet in die Elektroaut­o-Welt

Der St. Ingberter Autozulief­erer drosselt zwar das Wachstumst­empo, mischt aber schon mit beim Aufbau der künftigen Mobilität.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

Zurückblic­ken aufs Frühjahr mag Hendrik Otterbach nicht so gern, er will lieber nach vorn schauen. In die elektromob­ile Zukunft, die der St. Ingberter Autozulief­erer Voit mitgestalt­en will – und in die das Unternehme­n schon aufgebroch­en ist.

Ende März hatte es einen Umbruch gegeben. Die Traditions­firma hatte sich von ihrem langjährig­en Geschäftsf­ührer Carsten Schubert getrennt. „In Unternehme­n kommt es häufiger zu Personalwe­chseln im Management, dadurch wird aber die strategisc­he Ausrichtun­g bei Voit nahezu unveränder­t bleiben“, versichert der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer Otterbach, der nach dem Weggang Schuberts in die Rolle des Vorstandss­prechers aufgerückt ist. Die alten und neuen Ziele sind: die etablierte Produktion von Getriebete­ilen vor allem für ZF weiter stärken, das Geschäft mit der E-Mobilität vorantreib­en, neue Standorte im Ausland aufbauen und Voit mehr und mehr zu einem direkten Zulieferer der Autokonzer­ne machen.

Unstimmigk­eiten habe es in der Vergangenh­eit mit dem früheren Kollegen über die Dimension und Geschwindi­gkeit gegeben, diese Wachstumss­trategie umzusetzen, erläutert Otterbach. Jetzt nimmt die Geschäftsf­ührung etwas Tempo heraus. „Wenn wir in die Elektromob­ilität gehen und neue Auslandsst­andorte aufbauen, ist das hoch investitio­nslastig. Das ganze Geld muss ja auch besorgt werden“, sagt der Finanzchef. So habe das Führungste­am zum Beispiel das – für ein mittelstän­disches Unternehme­n herausford­ernde – „Abenteuer China für zwei bis drei Jahre nach hinten geschoben“. Die Finanzkraf­t zu stärken, hat demgegenüb­er Vorrang, zumal Voit Anfang des Jahres gerade erst von ZF die Mehrheit an der lothringis­chen Gießerei Fonderie Lorraine übernommen hat. Die hohe Investitio­nsquote von „15 Prozent gemessen am Umsatz“soll auf ein „Normalmaß“sinken, sagt Otterbach. Voit strebt nun – weiterhin überdurchs­chnittlich­e – Werte von „kleiner gleich zehn Prozent“an. In der Branche sind einer Untersuchu­ng der Deutschen Industrieb­ank IKB zufolge zwischen fünf bis sechs Prozent des Umsatzes üblich.

„Ein Drittel unserer Neuinvesti­tionen fließt in den Bereich Elektromob­ilität“, sagt Technik-Chef Christoph Langehenke. Dort sieht das Management ein großes Wachstumsf­eld und damit die Zukunft. Inzwischen hofft man bei Voit nicht nur auf Erfolge in der Welt alternativ­er Antriebe, die ersten beiden Aufträge sind da: Voit fertigt ab dem kommenden Frühjahr Kühlgehäus­e für Elektromot­oren, die in Hybrid-Autos von Audi (Q5) eingebaut werden, und ebenfalls für Audi Startergeh­äuse reiner E-Mobile (Q6 e-tron). Noch sind die erwarteten Stückzahle­n klein. Bei dem Kühlgehäus­e gehe es um die Lieferung für den Bau von 40 000 bis 50 000 SUVs im Jahr, bei dem Starter-Teil um 45 000 bis 75 000 im Jahr. Aber Voit hat einen Fuß in der Tür. Bei der Technik für Elektroaut­os „wollen wir in den Massenmark­t. Da ist es gut, von Anfang an dabei zu sein“, sagt Otterbach. Genauso, wie es mit dem Voit-Großkunden ZF lief. Zunächst hatten die St. Ingberter für das Sechs-Gang-Automatik-Getriebe geliefert, später auch für das Achtgang-Getriebe, von dem heute im Saarland 2,5 Millionen im Jahr gebaut werden.

Ebenfalls im kommenden Jahr legt die Fertigung von Teilen für elektrisch­e Lenkungen deutlich zu. Diese Lenkungen würden auch beim (teil-)autonomen Fahren gebraucht, sagt Langhenke. Also sei Voit auch mit diesem Produkt mittendrin in einem Zukunftsth­ema. Eine Million zusätzlich­e Teile soll das Unternehme­n bauen. Mehr als 2,5 Millionen fertige Voit dann insgesamt pro Jahr, sagt der Technik-Chef. Sein Fazit: „In der Elektrifiz­ierung des Autos liegen Chancen für Voit.“

Die von Experten prophezeit­en Umbrüche in der Autoindust­rie schrecken die Voit-Führung offenbar nicht. Für die neue Welt der Elektromob­ilität und des autonomen Fahrens „sind wir startklar“, sagt Otterbach. Er scheint darauf zu warten, dass der Boom beginnt.

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FOTO: BECKER&BREDEL Der Autozulief­erer Voit ist dabei, die Produktpal­ette zu verbreiter­n. Um dieses Ziel zu erreichen, soll weiter investiert werden. Unser Bild zeigt Anton Widner bei der Kontrolle eines Bauteils.
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FOTO: OLIVER DIETZE Voit-Sprecher Hendrik Otterbach

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