Eine wahrlich verdrehte Welt
In „Heil“findet sich ein Afrodeutscher in der rechten Szene wieder – und fühlt sich pudelwohl.
SAARBRÜCKEN (ry) Der gefeierte afrodeutsche Autor Sebastian Klein (Jerry Hoffmann) ist auf Lesereise in Prittwitz, mitten in der ostdeutschen Provinz, und wird von den ortsansässigen Neonazis standesgemäß begrüßt: mit einem Schlag auf den Kopf. Sebastian verliert prompt sein Gedächtnis und plappert nun alles nach, was man ihm sagt. Nina (Liv Lisa Fries), seine hochschwangere Freundin in Berlin, ist in höchster Aufregung. Kurzerhand fährt sie nach Prittwitz und hängt sich zusammen mit dem Dorfpolizisten Sascha (Oliver Bröcker) auf die Fersen ihres Freundes. Der ist in der Hand der rechten Kameraden und ihres Anführers Sven (Benno Fürmann) und scheint sich dort pudelwohl zu fühlen. Feixend tingelt Sebastian durch die Talkshows und drischt die Parolen, die Sven ihm einflüstert. Ein Schwarzer, der gegen Integration wettert – die Öffentlichkeit ist aus dem Häuschen. Und Sven sieht sich endlich auf dem Weg zum Meinungsführer. Bei seiner Angebeteten, der Nazibraut Doreen (Anna Brüggemann), kann er damit aber nicht punkten. Sie will Taten sehen, historische Taten. Und so rüstet Sven seine Leute zum großen Machtkampf – während beim Verfassungsschutz die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, und beide gerade nicht ins Internet kommen. Was kann die Welt jetzt noch retten? Und was wird aus der Liebe von Nina und Sebastian?
Dietrich Brüggemann, der unter anderem für die Inszenierungen „Zimmer/Küche/Bad“, „Kreuzweg“und „Renn wenn du kannst“bekannt ist, geht in „Heil“wie auch bei seinen anderen Filmen einem schwierigen und gesellschaftskritischen Thema nach, diesmal jedoch mit einem völlig anderen Ansatz. Er drehte einen Film über Dorfnazis in Ostdeutschland, da es längst überfällig gewesen sei, eine Neonazikomödie umzusetzen. Auf die Frage, ob es für Deutsche endlich an der Zeit sei, über diese Personengruppe zu lachen, antwortet der Regisseur im Interview: „Lachen ist eine Waffe, die auch gegen Nazis wirkt, insofern: Ja. Wir Deutschen gestehen uns leider nur ungern ein, dass es Neonazis gibt. Und vor allem, dass die nichts Fremdes, Fernes sind, sondern dass die auch zu uns gehören.“Weiterhin betont Brüggemann: „Wir versuchen, diese Nazis von uns abzuspalten, nach dem Motto: Wir sind hier – und da sind die Rechtsradikalen. Aber das stimmt nicht. Ich habe einen Film gemacht, der seine Komik daraus bezieht, dass Neonazis und normale Menschen miteinander interagieren und sogar Gemeinsamkeiten finden.“Gekonnt gelingt dem Regisseur ein Spagat zwischen bissiger Satire und derber Komödie. Zudem konnte er eine brillante Besetzung verpflichten.
Heil, 22.15 Uhr, ARTE