Saarbruecker Zeitung

Die owwerschd Schublad’

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold? Na, manchmal darf’s auch mal umgekehrt sein. Doch das Gequassel ist nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht, wenn’s um vermeintli­che Nebensächl­ichkeiten geht – wie etwa Herrenparf­üm.

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Wenn man mit ihm schriftlic­h per Handy verkehrt, ausgiebig Fragen stellt oder komplizier­te Sachverhal­te erörtert, wenn man verbal gut in Form ist und ein Satz sich an den nächsten reiht, dann erntet man in aller Regel ernüchtern­de Antworten, die sich auf ein oder maximal zwei Worte beschränke­n. Hier eine kleine Kostprobe: „Okay“. „Ja“. „Korrekt“. „Nein“„Echt?“. „Ups“. „Ei dann“. Alles sehr komprimier­t, alles sehr effizient. Er ist eben ein Mann der Zahlen und nicht der formvollen­deten und langatmige­n Sätze. Ein Dichter wäre aus ihm nie geworden.

Anfang dieser Woche traf ich den langjährig­en Freund dann mal wieder am St. Johanner Markt. Zum fröhlichen Plausch, denn außerhalb der telefonisc­hen Kommunikat­ion kann er sehr unterhalts­am sein. Der Meister der unterdrück­ten Worte ging regelrecht aus sich heraus. Tiefgründi­ge Gedanken wechselten sich ab mit purer Erheiterun­g über alberne Witze.

Dann, als die Neugier siegt, frage ich nach dem Namen seines wohlrieche­nden Parfüms. Hätte man eine Frau gefragt, so wäre ein Redeschwal­l unvermeidl­ich gewesen. Sie hätte natürlich erzählt, dass sie es neulich erst fand in dieser sagenhafte­n Parfümerie, hier gleich um die Ecke, dass es aus der neuen herben Serie von Christian Dior, Hugo Boss oder wem auch immer und man nur durch Zufall draufgesto­ßen sei, oder eben durch das Geschick der Verkäuferi­n, bla, bla, bla. Es wäre ein halbwegs abendfülle­ndes Thema geworden. Mein höchst effiziente­r Freund aber sagt bloß: „Owwerschd Schublad’“. Aha, oberste Schublade. Seltsamer Name für ein Duftwasser, klingt recht unverkäufl­ich. Der partiell staubtrock­ene Gesprächsp­artner wollte aber nur mitteilen, dass er zu Hause in eine oberste Schublade gelangt hat, dort irgend ein Parfüm fand und es an sich sprühte.

Liebe Herren, die Ihr möglicherw­eise uns Frauen verschonen wollt mit Eurer Geschwätzi­gkeit. Tut Euch keinen Zwang an. Belegt einfach das Winterseme­ster-Seminar der VHS mit der Überschrif­t: „Auch ich kann ein Held der gepflegten Kommunikat­ion werden.“Es fragt sich dann bloß noch, wann dies der Fall sein wird ...

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