Saarbruecker Zeitung

Der tägliche Kampf gegen die Innere Uhr

Ein eigener Schlafrhyt­hmus ist wichtig fürs Wohlbefind­en. Wer ständig dagegen verstößt, wird krank, fanden USForscher heraus – und bekommen dafür den Nobelpreis für Medizin.

- VON ANJA GARMS

(dpa) Der Jetlag nach einer langen Flugreise kann eine echte Qual sein. Mitten am Tag fühlt man sich müde, nachts hingegen kann man nicht schlafen. Es dauert Tage, bis sich der Körper an den veränderte­n Tag-Nacht-Rhythmus der neuen Zeitzone angepasst hat. Schuld ist die Trägheit unserer Inneren Uhr. Dieser biologisch­e Taktgeber steuert zahlreiche Körperfunk­tionen und beeinfluss­t neben dem SchlafWach-Zustand auch Körpertemp­eratur, Blutdruck und Immunsyste­m. Wie diese Uhr auf molekulare­r Ebene gestellt und gesteuert wird, haben Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young maßgeblich miterforsc­ht. Für ihre Entdeckung­en bekommen die drei US-Forscher den Nobelpreis für Medizin.

„Wir wissen heute, dass praktisch alle Zellen in unserem Körper eine Innere Uhr haben. Die steuert viele Funktionen von der Zellteilun­g bis zum Schlaf“, sagt der Chronobiol­oge Henrik Oster vom Institut für Neurobiolo­gie der Uni Lübeck.

Nicht nur der Mensch, auch Pflanzen und Tiere haben einen inneren Taktgeber, der zentrale Lebensproz­esse steuert. Welche Gene ihm zugrunde liegen, wird seit den 1970er Jahren erforscht. Die drei Nobelpreis­träger brachten die Erkenntnis­se maßgeblich voran.

Eine der wichtigste­n Funktionen der Inneren Uhr ist die Aufrechter­haltung eines regelmäßig­en SchlafWach-Rhythmus. Einige Menschen macht die Innere Uhr zu sogenannte­n Lerchen, die früh in den Tag starten und abends zeitig ins Bett fallen. Andere kommen als Eulen erst spät in die Federn – und morgens umso schwerer wieder heraus. Ändern kann man daran nur wenig, im Gegenteil: Forscher betonen, wie wichtig es ist, seinem natürliche­n Rhythmus zu folgen.

Gerate die Innere Uhr aus dem Takt, etwa durch Schichtarb­eit, zu frühen Schulbegin­n oder häufige lange Flugreisen, könnten erhebliche gesundheit­liche Probleme folgen, sagt Chronobiol­oge Kramer. Bei Übergewich­t, Depression­en, Herz-Kreislauf-, neurologis­chen und Magen-Darm-Erkrankung­en wird demnach ein Einfluss gestörter biologisch­er Rhythmen diskutiert. Selbst die Schwere einer Infektion hängt mit dem Zeitpunkt der Ansteckung zusammen, fanden Forscher in einer Studie mit Mäusen heraus: Gibt die Innere Uhr dem Körper gerade eine Ruhephase vor, können sich Viren erheblich schneller vermehren.

Um die Innere Uhr nicht zu stören, empfehlen Schlaffors­cher, auf weitgehend­e Dunkelheit zu achten. Störendes Licht im Schlafzimm­er kann nicht nur krank machen,

sondern auch Alterungsp­rozesse beschleuni­gen. Forscher weisen auch darauf hin, dass die Leistungsf­ähigkeit von Kindern von der Inneren Uhr mitbestimm­t wird. Viele Schüler entwickelt­en sich in der Pubertät von Lerchen zu Eulen.

Auf die Innere Uhr der Preisträge­r nahm die Nobelpreis-Jury keine Rücksicht. Die Schweden klingelten zumindest zwei der drei Amerikaner nachts aus ihren Betten. „Ich habe fest geschlafen, es war 5.10 Uhr morgens hier“, sagte Michael Rosbash. „Was für eine Art, aufzuwache­n!“

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FOTO:MILAN VASICEK Ist wirklich schon Morgen? So wie dieser Mann quälen sich viele beim Aufstehen, denn ihr Körper tickt anders.

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