Steuerzahlerbund geißelt staatliche Misswirtschaft
Erneut hat der Bund der Steuerzahler Fälle von massiver Geldverschwendung zusammengetragen.
(dpa/SZ) Das Völklinger Fischzucht-Desaster, Luxus-Mülleimer oder der „längste Schwarzbau Deutschlands“– der Staat verschleudert aus Sicht des Steuerzahlerbundes weiter Unsummen für zweifelhafte Projekte. Wie hoch das tatsächliche Ausmaß der Verschwendung sei, könne zwar niemand genau sagen. „Aber es sind Milliardenbeträge“, kritisierte Verbandspräsident Reiner Holznagel gestern in Berlin.
Er forderte die künftige Regierungskoalition zu einem schärferen Vorgehen gegen die Steuergeldverschwendung auf. Notwendig seien „mutige Maßnahmen“, damit Verschwendung bestraft werden könne, erklärte Holznagel bei der Vorlage des neuen „Schwarzbuches“des Verbandes. Darin listet er jedes Jahr auf, wo Bund, Länder und Kommunen sorglos mit dem Geld der Bürger umgehen – durch Fehlplanungen, Nachlässigkeiten oder fragwürdige Projekte. So beziffert der Steuerzahlerbund die Mehrkosten durch Pfusch bei der Erweiterung der Gebäude des Bundestages auf fast 47 Millionen Euro. Gerügt werden darüber hinaus zum Beispiel solarbetriebene Luxusmülltonnen in Potsdam und Köln (Stückpreis 8000 Euro), Kosten von 2,2 Milliarden Euro für die weiter kaum brauchbare elektronische Gesundheitskarte oder eine 8,4 Millionen Euro teure Umgehungsstraße im ostfriesischen Bensersiel. Problem: Sie führt durch ein Vogelschutzgebiet und ist deshalb für illegal erklärt worden.
Auch zwei Projekte aus dem Saarland finden sich im neuen „Schwarzbuch“. So habe das „Fischzucht-Desaster“die Stadt Völklingen insgesamt 22 Millionen Euro gekostet, bevor die Anlage an einen privaten Investor verkauft worden sei. Ebenso rügt der Verband die Veruntreuung von Fraktionsmitteln von CDU, SPD und Grünen, die sanktionslos geblieben sei.
Erneut kritisierte der Verband die Vergrößerung des Bundestags auf die Rekordzahl von 709 Abgeordneten. Holznagel forderte eine Wahlrechtsreform mit Mandats-Obergrenze.
SAARBRÜCKEN (dpa) In seinem sogenannten Schwarzbuch listet der Steuerzahlerbund jedes Jahr Fälle auf, die er für Verschwendung hält. Im diesjährigen Schwarzbuch, das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, prangert der Bund der Steuerzahler (BdSt) auch zwei Projekte aus dem Saarland an.
So habe das Experiment Meeresfischzuchtanlage die Stadt Völklingen insgesamt 22 Millionen Euro gekostet, bevor die Meeresfischzuchtanlage an einen privaten Investor verkauft worden sei. Der BdSt nennt es ein „Fischzucht-Desaster“. Zu dem hohen Betrag führe auch, das der im Herbst 2014 fristlos gekündigte Geschäftsführer der Meeresfischzuchtanlage, Jochen Dahm, als ehemaliger Geschäftsführer der Stadtwerke Völklingen einen Anspruch auf eine Pension von monatlich fast 11 000 Euro habe. Der Gegenwert dieser Pensionsverpflichtung werde bis zum Erreichen des Rentenalters von 65 Jahren mindestens zwei Millionen Euro betragen, heißt es seitens des Bundes. Der BdSt meint: „Kommunen sollten sich nicht als Unternehmer betätigen – dazu fehlt ihnen in aller Regel die notwendige Erfahrung.“
Auch die Veruntreuung von Fraktionsmitteln, die sanktionslos geblieben sei, kritisiert der BdSt. Der Bund der Steuerzahler Saarland hatte im Juni 2016 nach eigenen Angaben die Verantwortlichen der CDU-, SPDund Bündnis 90/die Grünen-Fraktionen im saarländischen Landtag wegen des Verdachts der Untreue bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken angezeigt. Anlass sei der Sonderbericht des Landesrechnungshofs zur Verwendung der Fraktionsmittel in der 13. Wahlperiode (2004 bis 2009) gewesen.
Zuvor habe der BdSt bei den damals im Landtag vertretenen Fraktionen angefragt, ob die Verantwortlichen für den rechtswidrigen Umgang mit Fraktionsgeldern in Regress genommen werden würden. In einem gemeinsamen Schreiben hätten die Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen mitgeteilt, dass von ihnen insgesamt eine Rückzahlung von 325 000 Euro freiwillig – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – an die Landeskasse vorgenommen werde. Durch die Rückzahlung sei dem Land beziehungsweise den Steuerzahlern kein Schaden entstanden. Zu Schadenersatzansprüchen gegen Verursacher wurde nicht Stellung genommen, bemängelt der BdSt. Daraus musste man schließen, dass keine Regressforderungen geprüft und realisiert
„Dem Leser des Berichts sträuben sich die Nackenhaare in Anbetracht der festgestellten Verfehlungen im Umgang mit Steuergeldern.“
„Schwarzbuch“
zum Finanzgebaren der Fraktionen
werden. Das sieht der Bund der Steuerzahler anders. Im Prinzip sei bei dem Umgang mit Fraktionsmitteln zwei Mal ein wirtschaftlicher Schaden entstanden: Zum einen wurden während der 13. Legislaturperiode Fraktionsmittel der sachgerechten Verwendung entzogen, weil sie nicht zweckbestimmt oder nicht wirtschaftlich ausgegeben wurden. Zum anderen schmälere die Erstattung abermals die Fraktionskassen und entziehe somit Gelder, die das Land für die Fraktionsarbeit zur Verfügung gestellt habe.
„Dem Leser des Berichts sträuben sich die Nackenhaare in Anbetracht der festgestellten Verfehlungen im Umgang mit Steuergeldern“, heißt es im „Schwarzbuch“. Über die Fraktionskassen seien unter anderem Luxusessen, private Reisen und Konzertbesuche abgerechnet worden. Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes sei trotz der Rückzahlung ein wirtschaftlicher Schaden entstanden, weil das Geld für die Fraktionsarbeit fehle.
Die Staatsanwaltschaft konnte zwar der Argumentation des Bundes der Steuerzahler folgen, dass durch den Verzicht auf Regressforderungen der Tatbestand der Untreue erfüllt wurde, heißt es. Allerdings habe man die Ansprüche bereits als verjährt angesehen.