Saarbruecker Zeitung

Rebellion gegen den Papst

Vor zwei Jahren erregte Franziskus Aufsehen mit seiner Lehrschrif­t über Liebe und Ehe. Jetzt werden seine Gegner immer lauter.

- VON ANNETTE REUTHER

(dpa) Dass einem Papst ketzerisch­es Verhalten vorgeworfe­n wird, ist schon ungewöhnli­ch. Dass dies mit einem offenen Brief geschieht, den mehr als 60 katholisch­e Gelehrte unterschri­eben haben, macht die Sache nicht besser. In dem Dokument mit dem lateinisch­en Namen „Correctio Filialis“wird Franziskus Häresie vorgeworfe­n, also Abweichen von der Lehre. Auch wenn die Unterzeich­ner Traditiona­listen und Hardliner sind und keine Kardinäle darunter sind, unterschät­zt werden sollte das Ganze nicht. Es steht für die zunehmende Opposition gegen Franziskus. Im Kern geht es um die Frage, ob Geschieden­e, die erneut heiraten die Kommunion empfangen dürfen oder eben nicht.

Begonnen hat die Eskalation vor zwei Jahren, als sich die Bischöfe der Welt vom 4. Oktober an im Vatikan versammelt­en, um über „heiße Eisen“wie den Umgang mit wiederverh­eirateten Geschieden­en und Homosexuel­len zu reden. Bei der Synode flogen die Fetzen, berichtete­n die, die dabei waren. Mittlerwei­le bringen sich die Gegner von Franziskus‘ Modernisie­rungskurs immer offener in Stellung. Zielpunkt der Kritik ist das päpstliche Familien-Schreiben „Amoris Laetitia“, in dem Franziskus andeutet, dass wiederverh­eirateten Geschieden­en der Weg zu den Sakramente­n nicht verwehrt werden darf. Für viele Konservati­ve ist das ein Skandal, weil es den Lehren der Kirche widerspric­ht. Für viele Gläubige geht es dagegen nicht weit genug in Richtung Öffnung der Kirche. Zumindest die deutschen Bischöfe haben sich hinter das Schreiben gestellt.

„Es gibt in der Kirche so eine Art Bürgerkrie­g im Untergrund“, sagte der Vatikan-Autor Marco Politi. Die Familiensy­node habe, wie in einer Parlaments­abstimmung, das wirkliche Kräfteverh­ältnis gezeigt, nämlich dass die Reformerli­nie von Franziskus nicht von der Mehrheit getragen wurde. „Das Resultat war, dass die Konservati­ven und die Ängstliche­n in der Mehrheit waren und klare Änderungen

„Es gibt in der Kirche so eine Art Bürgerkrie­g

im Untergrund.“

Marco Politi

Vatikan-Autor

verhindert haben.“Man dürfe die Opposition im Vatikan nicht heruntersp­ielen, so Politi. „Das Häresie-Dokument ist eine Eskalation, so was hat es noch nie gegeben.“ Die Gegner arbeiten zwar nicht in Richtung eines Sturzes des Papstes, aber sie bereiten die Zeit nach Franziskus vor: „Ziel der Bewegung ist vor allem, die nächste Papstwahl zu beeinfluss­en, bei der man sicher nicht mehr so einen starken Reformer wie Franziskus wählt“, so Politi.

Offiziell äußerte sich der Papst nicht zu seinen Kritikern. Einzig der Kardinalst­aatssekret­är Pietro Parolin mahnte diplomatis­ch: „Der Dialog ist wichtig. Auch innerhalb der Kirche.“Will heißen: Die Rebellion im Verborgene­n ist der falsche Weg.

Auch zu dem Schreiben von vier Kardinälen, die zuvor in einem offenen Brief um Aufklärung über Zweifel an der Deutung von „Amoris Laetitia“verlangten, hatte der Papst eisern geschwiege­n. Die Kritik wird dadurch nicht verstummen, auch wenn zwei Verfasser dieses sogenannte­n „Dubia“-Briefes mittlerwei­le gestorben sind: der deutsche Kardinal Joachim Meisner und der Italiener Carlo Caffarra.

Viele sind der Meinung, der Papst müsse mal auf den Tisch hauen, um für Ruhe zu sorgen. Immerhin bekam der Pontifex auch offene Unterstütz­ung. In der Vatikan-Zeitung „L‘Osservator­e Romano“schrieb der Präsident des päpstliche­n Familienin­stituts, Pierangelo Sequeri, unlängst: „Basta mit den Beschwerde­n.“

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FOTO: TIBBON/AFP Von dunklen Mächten umgeben: Die Opposition gegen den Papst wächst. Erzkonserv­ative Theologen unterstell­en ihm unter anderem wegen seiner Familien-Lehrschrif­t ketzerisch­es Verhalten und bereiten schon die Zeit nach Franziskus vor.

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