„Kirche darf nicht weltfremd sein“
Die saarländische CDU-Politikerin sieht die Kritiker des Papstes in der Minderheit.
SAARBRÜCKEN Die Widersacher des Papstes werden sich in der katholischen Kirche nicht durchsetzen, meint die ehemalige ZDK-Chefin Rita Waschbüsch. Die saarländische CDU-Politikerin war von 1988 bis 1997 Vorsitzende des Zentralrats deutscher Katholiken (ZDK) und ist bis heute Mitglied des Komitees.
Frau Waschbüsch, wie groß und wie mächtig ist die Gruppe jener Traditionalisten, die dem Papst jetzt Häresie vorwirft?
WASCHBÜSCH Sie ist meines Erachtens eher klein. Es waren vier Kardinäle, die vor zwei Jahren Zweifel an der Ehe-Lehre des Papstes angemeldet haben: der Italiener Carlo Caffarra, der Amerikaner Raymond Burke und die beiden deutschen Kardinälen Walter Brandmüller und Joachim Meisner. Einige weitere Theologen scheinen auch dahinterzustehen, wie etwa Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Ihm hat der Papst die Amtszeit als Präfekt der Römischen Glaubenskongregation nicht verlängert. Aber die große Mehrheit der Kardinäle, Bischöfe, Theologen und katholischen Laien weltweit hält das päpstliche Familienschreiben „Amoris Laetitia“für ein sehr schönes und im Übrigen sehr katholisches Lehrschreiben.
Sie denken also, dass sich trotz starker Opposition der Reformkurs von Papst Franziskus durchsetzen wird?
WASCHBÜSCH Franziskus setzt in dieser Sache auf die Gewissensentscheidung des einzelnen Menschen, der im Gespräch mit einem Priester seinen Weg finden soll – nicht im Sinne einer Weisung, sondern im Sinne einer Wegbegleitung. Es geht Franziskus also sehr stark um die Wertschätzung des gebildeten Gewissens. Das ist keine Abkehr, sondern eine Weiterentwicklung der katholischen Ehe-Lehre, die sich meiner Meinung nach auch durchsetzen wird.
Wie verträgt sich denn das entschiedene Aufbegehren dieser Erzkonservativen mit deren ansonsten so hoch gehaltenen Anschauung der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensdingen?
WASCHBÜSCH Das ist ja eben das Groteske, dass ausgerechnet die besonders Konservativen, die sonst immer auf die Pflicht zum Gehorsam pochen, plötzlich dem Papst nicht folgen wollen. Es handelt sich bei dieser Gruppe wahrscheinlich vor allem um solche Menschen im Umfeld des Vatikans, die sich aus unterschiedlichen Gründen zurückgesetzt fühlen. Das kann natürlich dazu führen, dass sich eine solche Opposition zusammenfindet. Aber ich glaube nicht, dass diese Haltung mehrheitsfähig ist.
In welche Richtung muss sich Ihrer Meinung nach die Kirche verändern oder modernisieren? Was wären die wichtigsten Punkte?
WASCHBÜSCH Das Wichtigste ist, dass die Kirche ihre Wahrheiten den Menschen auf eine zeitgemäße Art erklären kann. Darum bemüht sich dieser Papst ja gerade. Er sagt vor allen Dingen, das höchste und wichtigste Gebot ist die Barmherzigkeit, die wir brauchen, um an alles heranzugehen, was uns bewegt und was
uns belastet.
Nun warnen aber gerade die Traditionalisten davor, die Lehre der katholischen Kirche dem Zeitgeist unterzuordnen.
WASCHBÜSCH Der Papst ordnet die Lehre keineswegs dem Zeitgeist unter. Er versucht nur, Kirche in der Welt von heute verständlich zu machen. Und er sagt, die Kirche darf nicht weltfremd sein, sondern muss genau beobachten, wie sich die Menschen in einer sich verändernden Welt entwickeln – um aus dieser Beobachtung heraus Wege zu finden, auf sie zugehen.
Das Lutherjahr, das wir derzeit begehen, rückt ja auch die Spaltung der Kirche wieder ins Bewusstsein. Was denken Sie: Besteht vor dem Hintergrund dieser offenen Opposition gegen den Papst die Gefahr einer erneuten Spaltung?
WASCHBÜSCH Nein, man darf diese Sache auf keinen Fall zu hoch hängen. Das sind teilweise intrigante Heckenschützen und nicht die Kirche, die sich hier auseinandersetzt und in solcher Weise bemerkbar macht.
Wirkt sich dieser Richtungsstreit eigentlich auch auf die Basis der Kirche aus? Ist er spürbar?
WASCHBÜSCH Er spielt schon eine Rolle. Querelen dieser Art führen immer dazu, dass an der Basis eine gewisse Sorge oder Unruhe entsteht. Aber die große Mehrheit der Katholiken weltweit steht sehr froh hinter diesem Papst, weil sie merkt, dass er versucht, ihre Sorgen, ihre Nöte und ihre Schwierigkeiten zu verstehen.