Saarbruecker Zeitung

EU-Staatsanwä­lte sollen ab 2020 ermitteln

Europäisch­es Parlament macht Weg für neue Behörde gegen Betrüger frei. Jährlich entstehen Schäden von 50 Milliarden Euro durch entgangene Mehrwertst­euer.

- VON DETLEF DREWES

STRASSBURG/BRÜSSEL Europa ringt um die Lösung zu wichtigen Zukunftsfr­agen und schafft doch einen viel beachteten Durchbruch: Das Parlament der Gemeinscha­ft stimmte gestern in Straßburg der Einrichtun­g einer Europäisch­en Staatsanwa­ltschaft zu. Ab 2020 soll die neue Behörde mit Sitz in Luxemburg milliarden­schwere Verluste für die Mitgliedst­aaten verfolgen. Welche Befugnisse hat die neue EU-Institutio­n? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Welche Aufgaben hat die neue Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft?

Sie soll grenzübers­chreitende Straftaten verfolgen, bei denen es um Korruption, Geldwäsche und Betrug mit EU-Geldern geht. Nach Angaben der Kommission verlieren die Mitgliedst­aaten jährlich 50 Milliarden Euro an Einnahmen durch nicht bezahlte Mehrwertst­euer. Bei diesen Delikten handelt es sich nicht nur um Zigaretten­schmuggel, sondern auch um sogenannte Karusselge­schäfte. Dabei schlagen Firmen Mehrwertst­euer auf den Preis von Waren und Dienstleis­tungen auf, führen diese aber nicht ab.

Können die nationalen Behörden solche Delikte nicht auch selbst ermitteln?

Das ist natürlich möglich. In der Praxis stellte sich aber heraus, dass die Abstimmung unter den Mitgliedst­aaten und die Bitte um Amtshilfe bei den dortigen Behörden sehr langwierig sind und die gezielte Verfolgung von Straftaten erschweren.

Für welche Schäden ist die neue Staatsanwa­ltschaft zuständig?

Bei Betrug mit EU-Mitteln ab 10 000 Euro sowie grenzübers­chreitende­m Mehrwertst­euerbetrug ab zehn Millionen Euro kann die Luxemburge­r Behörde künftig aktiv werden.

Wie ist die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft aufgebaut?

Insgesamt sollen 115 Juristen für die neue Behörde arbeiten. Jeder der beteiligte­n 20 EU-Mitgliedst­aaten entsendet einen Staatsanwa­lt, hinzu kommen noch nationale Büros. Innerhalb der EPPO (European Public Prosecutor’s Office = Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft) gibt es eine besondere Ebene: die sogenannte­n Delegierte­n Europäisch­en Staatsanwä­lte. Sie führen die Ermittlung­en, verfolgen Straftaten und erheben Anklagen, die dann vor den zuständige­n Gerichten der Mitgliedst­aaten verhandelt werden. Der Jahresetat der EPPO liegt bei 21 Millionen Euro.

Können Verfahren auch eingestell­t werden?

Ja. Dies darf ein Staatsanwa­lt aber nicht alleine entscheide­n. Innerhalb der EPPO wird eine Ständige Kammer mit Juristen aus mehreren Mitgliedst­aaten eingericht­et, um die Unabhängig­keit der Behörde sicherzust­ellen.

Mit welchen Strafen muss ein Verurteilt­er rechnen?

Es gibt keinen EU-weiten Katalog von Sanktionen. Hier greifen die nationalen Gesetze.

Ist die gesamte EU an dem Projekt beteiligt?

Nein, zunächst nur 20 Mitgliedst­aaten. Die Niederland­e, Polen, Ungarn, Malta, Schweden, Irland und Dänemark wollen noch nicht mitmachen. Großbritan­nien ist wegen des Brexit ohnehin außen vor.

Würde es sich nicht anbieten, die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft auch bei grenzübers­chreitende­n Terrorakte­n und organisier­ter Kriminalit­ät aktiv werden zu lassen?

Das wird auf lange Sicht wohl auch so kommen. Sowohl Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker wie auch der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron haben entspreche­nde Forderunge­n bereits erhoben. Aber dafür sind noch Abstimmung­en zwischen den Fahndungsu­nd Justizbehö­rden der Mitgliedst­aaten notwendig. Denn die EPPO soll ja die nationale Strafverfo­lgung nicht ersetzen, sondern nur effiziente­r koordinier­en – ein Konzept, das bei der Europäisch­en Polizeibeh­örde Europol in Den Haag schon seit Jahren gut funktionie­rt.

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