Gehirnentzündungen durch zu viel Fett und Zucker
Be i übe rg e wichtig e n Me nsche n wird das Hung e r- und Sättig ung sze ntrum im Kopf ze rstört. Die Hirnze lle n e ntzünde n sich, wodurch ihre Kommunikation unte re inande r g e stört wird. Mög liche rwe ise spie le n dabe i Darmbakte rie n e ine we
KIEL (ml) Unser Gehirn steuert auch die Gefühle für Hunger und Sättigung. Zuständig dafür ist eine nur drei Millimeter große Region im Zwischenhirn, der Hypothalamus. Eine Studie an der Universitätsklinik Schleswig-Holstein hat jetzt gezeigt, dass bei stark übergewichtigen Menschen der Hypothalamus entzündet ist.
Die Forscher sahen sich die Gehirne übergewichtiger und normalgewichtiger Personen im Magnetresonanztomografen an, der die verschiedenen Gewebe im menschlichen Körper bildlich darstellt. Bei adipösen Personen entdeckten die Wissenschaftler entzündliche Aktivitäten im Bereich des Hypothalamus. „Wir können aber noch nicht mit Sicherheit sagen, ob Übergewicht zu einer Entzündung im Hypothalamus führt, oder ob die Entzündung das Übergewicht verursacht“, sagt Carina Kreutzer, eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen. Auch ist noch nicht endgültig geklärt, welche Rolle das Erbgut eines Menschen und die Ernährung in diesem Zusammenhang spielen.
Das Team der Universitätsklinik hatte zudem die Zusammensetzung der Bakterien im Darm der Studienteilnehmer untersucht. Die Gesamtheit der dort befindlichen Bakterien – es sind rund 100 Billiopositas nen – wird Darmmikrobiom genannt. Die Forscher fanden heraus, dass im Darm von Menschen, die sich nicht zu fettreich ernähren, viele Bakterienarten leben, die die Gesundheit schützen. „Die Entzündungswerte im Körper sind dann niedrig“, erläutert Professor Dr. Matthias Laudes, der Leiter der Studie. „Umgekehrt kann eine fettreiche Ernährung innerhalb relativ kurzer Zeit die Menge der gesundheitsfördernden Bakterien reduzieren. Dadurch steigen unter anderem auch die Entzündungswerte im Gehirn an.“
Die Wissenschaftler sehen einen direkten Zusammenhang zwischen Veränderungen des Darmmikrobioms und Gehirnentzündungen. „Unsere Daten legen den Schluss nahe, dass eine Fehlernährung, die die Zusammensetzung der Darmbakterien verändert, zu entzündlichen Veränderungen in den Regionen der Appetit- und Sättigungsregulation im Gehirn führt. Das treibt das Körpergewicht langfristig nach oben“, fasst Matthais Laudes zusammen. Darmbakterien können mittels ihrer Stoffwechselprodukte, Hormonen oder Immunmolekülen Einfluss auf das Gehirn nehmen.
Mit dem Einfluss der Ernährung auf den Hypothalamus im Gehirn haben sich auch Wissenschaftler des Instituts für Diabetes und Adi- am Helmholtz-Zentrum in München beschäftigt. Sie verweisen darauf, dass der Hypothalamus nicht nur das Hunger- und Sättigungsgefühl steuert, sondern unter anderem auch Kreislauf, Körpertemperatur und Sexualverhalten reguliert und zudem den Stoffwechsel in Fettgewebe und Leber.
Die Forscher hatten beobachtet, dass eine gesteigerte Aufnahme von Fett und Zucker zu Immunreaktionen im Hypothalamus führt. Der Verzehr von kalorienreicher Nahrung verursacht im Hypothalamus Veränderungen, die man auch nach Verletzungen des Hirngewebes durch ein Trauma oder eine Erkrankung sieht. Es sammeln sich abnormal viele Gliazellen an, eine weitere Art von Zellen neben den eigentlichen Nervenzellen.
Gliazellen geben dem Gehirn Festigkeit. Doch sie sind weit mehr als bloße Stützzellen, wie man lange geglaubt hatte. Unter anderem versorgen die Gliazellen die elektrisch aktiven Nervenzellen (Neuronen) mit Nährstoffen und entsorgen deren Abfallprodukte. Sie sammeln Botenstoffe der Nervenzellen ein und schütten ebensolche aus, was die Stärke der Aktivität im Gehirn beeinflusst.
Die Studie der Helmholtz-Forscher zeigte jedoch, dass die geschädigte Hirnregion trotz der erhöhten Dichte an Gliazellen geschwächt bleibt. Die vielen Gliazellen können die Schädigungen nicht ausgleichen. „Wir nehmen an, dass die gesteigerte Aufnahme von Kalorien zu Entzündungen im Hypothalamus führt, wodurch er in seiner Funktion beeinträchtigt wird“, sagt Professor Dr. Matthias Tschöp, der Leiter des Instituts. Das führt dazu, dass der Hypothalamus an Kontrolle über Hunger und Sättigung verliert. Das Risiko für Übergewicht und Diabetes steigt.
Im Rahmen des Forschungsprojekts HypoFlam wollen die Münchener Wissenschaftler nun herausfinden, warum eine kalorienreiche Ernährung zu Entzündungen im Gehirn führt und wie die Zellkommunikation in den Kontrollzentren des Gehirns irreversibel gestört wird.