Saarbruecker Zeitung

Polizei in Rio nimmt Olympia-Chef fest

Verdacht, dass bei Vergabe der Olympische­n Spiele 2016 finanziell nachgeholf­en wurde, erhärtet sich.

-

RIO DE JANEIRO (dpa) Die Polizei kam im Morgengrau­en und führte den bekanntest­en Sportfunkt­ionär Brasiliens ab. Der Organisati­onschef der Sommerspie­le 2016 in Rio de Janeiro, Carlos Arthur Nuzman, ist wegen des Verdachts auf den Kauf von Stimmen bei der Olympia-Vergabe festgenomm­en worden. Die Festnahme erfolgte am Donnerstag in seinem Haus im Stadtteil Leblon in Rio. Auch der Marketingc­hef von Rio 2016, Leonardo Gryner, sei festgenomm­en worden, berichtete das Portal „O Globo“. Gryner galt als „rechte Hand“Nuzmans. Beide stehen unter Verdacht, vor der Wahl des Olympia-Gastgebers Geldzahlun­gen an afrikanisc­he IOC-Mitglieder für eine Zustimmung zu Rio vermittelt zu haben. Berichten zufolge soll unter anderem die Stimme des langjährig­en Chefs des Leichtathl­etik-Weltverban­des IAAF und IOC-Mitglieds Lamine Diack aus dem Senegal gekauft worden sein.

Rio hatte sich bei der Abstimmung im Oktober 2009 in Kopenhagen gegen Madrid, Tokio und Chicago durchgeset­zt. Drei Tage vor der Abstimmung sollen dem Sohn Diacks zwei Millionen US-Dollar von einem brasiliani­schen Unternehme­r überwiesen worden sein. Auslöser der Festnahmen waren Ermittlung­en der französisc­hen Justiz. Laut der brasiliani­schen Staatsanwa­ltschaft gebe es „starke Indizien“für die dubiosen Zahlungen. Vor einem Monat war bereits Nuzmans Anwesen durchsucht worden. Er ist seit 22 Jahren der Chef des Nationalen Olympische­n Komitees in Brasilien.

Nuzman und Gryner werden verdächtig­t, die Verbindung hergestell­t zu haben. Im Rahmen der Operation „Unsauberes Spiel“werden Verbindung­en zu Offshore-Konten auf den Britischen Jungfernin­seln sowie zu Konten in den USA und auf Antigua und Barbuda untersucht. Nuzman (75) war eines der Gesichter der Olympiabew­erbung, Rio 2016 war seine Lebensmiss­ion. Bei der Eröffnungs­feier im Maracanã-Stadion betonte Nuzman emotional bewegt: „Der beste Platz ist jetzt hier.“Man habe es trotz aller Widrigkeit­en geschafft. Der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, Thomas Bach, stand strahlend daneben.

Bei der IOC-Vollversam­mlung in Lima hatte IOC-Präsident Bach vor drei Wochen mit Blick auf Nuzman ein mögliches Durchgreif­en versproche­n: „Wenn Beweise vorgelegt werden, werden wir handeln.“Glaubwürdi­gkeit sei extrem wichtig. Anwälte des IOC stünden bereits in Kontakt zu den Ermittlern.

Die Spiele mit Gesamtkost­en von über zehn Milliarden Euro gelten in Rio heute als Fehlschlag. Für viele Stadien gibt es keine Nachnutzun­g und im Olympiador­f sind laut Berichten noch nicht einmal zehn Prozent der über 3000 Wohnungen verkauft worden. Wegen eines Streits mit dem Organisati­onskomitee um Schäden und ausstehend­e Zahlungen dafür, dämmert auch das berühmte Maracanã vor sich hin.

Das IOC weigert sich, eine bis heute bestehende Schuldenla­st des Rio-Organisati­onskomitee­s von 40 Millionen US-Dollar zu begleichen. Sparzwänge im Bundesstaa­t Rio de Janeiro haben ein Jahr nach Olympia zu einer dramatisch­en Sicherheit­skrise geführt, in vielen Favelas hat das organisier­te Verbrechen die Kontrolle zurückgewo­nnen. Zuletzt besetzten 1000 Soldaten die Favela Rocinha. Vorerst bis Jahresende wurden 8500 Soldaten entsandt, um die Lage in dem Bundesstaa­t in den Griff zu bekommen. Die Mordrate stieg um zehn Prozent, von Januar bis Juni fielen über 2700 Menschen in dem Bundesstaa­t Gewalttate­n zum Opfer.

 ?? FOTO: PIMENTEL/AFP ?? Schwedisch­e Gardinen statt olympische Ringe? Rio-Organisati­ons-Chef Carlos Nuzman (2. v. rechts) wurde gestern von der Polizei abgeführt.
FOTO: PIMENTEL/AFP Schwedisch­e Gardinen statt olympische Ringe? Rio-Organisati­ons-Chef Carlos Nuzman (2. v. rechts) wurde gestern von der Polizei abgeführt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany