Saarbruecker Zeitung

Viele Deutsche finden Obergrenze für Flüchtling­e gut

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BERLIN (dpa) Die Mehrheit der Deutschen befürworte­t eine Obergrenze für den Zuzug von Flüchtling­en. In einer Umfrage des Forschungs­instituts Yougov unterstütz­ten 56 Prozent die Forderung der CSU, eine konkrete Zahl im neuen Koalitions­vertrag zu verankern. Nur 28 Prozent sprachen sich dagegen aus.

Der seit vielen Monaten andauernde Streit über eine Obergrenze für Flüchtling­e wird das zentrale Thema eines Spitzentre­ffens von CDU und CSU an diesem Sonntag zur Vorbereitu­ng von Sondierung­sgespräche­n über eine mögliche Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen sein. Die CSU fordert die Aufnahme von höchstens 200 000 Flüchtling­en pro Jahr. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine solche pauschale Festlegung klar ab – Grüne und FDP auch.

Bei einer Frau verbietet sich das Bild vom Kaiser, der plötzlich ohne Kleider dasteht. Aber von einer gründliche­n Entzauberu­ng der Angela Merkel darf man schon sprechen. Auf den Wahlplakat­en kam sie geradezu präsidial daher, unantastba­r. Nun, nach 8,6 Prozentpun­kten Verlust für ihre Union, zeigt sich, dass da wenig bis nichts dahinter ist und war. Die Union hatte und hat keine Antwort auf die sozialen Probleme, die die Protestwäh­ler in Richtung AfD getrieben haben. Nicht zu steigenden Mieten, zur Arm-ReichKluft oder zu verödenden Dörfern. Nicht zu prekären Arbeitsver­hältnissen oder Minirenten. Und sie hat keine Antwort auf das Flüchtling­sund Migrations­problem, das die Rechtspart­ei mit Erfolg für ihre Zwecke instrument­alisiert hat. Beziehungs­weise: Hier hat sie zwei Antworten: „Obergrenze“die CSU, „Wir schaffen das“die CDU.

Angela Merkel hat unmittelba­r nach der Wahl gesagt, sie wisse nicht, was man anders hätte machen sollen. Das zeigt: Sie hätte ungerührt so weiter gemacht, hätte die Koalitions­gespräche mit FDP und Grünen begonnen, ein paar Kompromiss­e zugelassen und ihre vierte Amtszeit eingeleite­t. Es ist der panisch gewordenen CSU zu verdanken, dass sie damit vorerst nicht durchkommt. Allerdings hat die CSU selbst auch keine konstrukti­ve Antwort. Sie plustert sich nur auf, um die bayerische­n Wähler mit Blick auf die nächste Landtagswa­hl zu beeindruck­en. Streit gibt es nicht nur um die Flüchtling­e. Sondern auch um Europa, um Volksentsc­heide und Mütterrent­e. Sogar schon um Posten, den des Innenminis­ters. Es zeigt sich, dass die einzige wirkliche Fake-News in diesem Wahlkampf der Begriff „Union“für die beiden Schwesterp­arteien war.

Am Sonntag beim Spitzentre­ffen von CDU und CSU muss es Ergebnisse geben, muss nachgeholt werden, was vor der Wahl versäumt wurde. Vielleicht muss die Kanzlerin auch mal Härte zeigen und führen. Vielleicht sogar dem bayerische­n Luftballon mit der Nadel drohen. Noch ist die CSU nur eine Regionalor­ganisation in der Union und muss sich den großen Linien fügen. Wenn sie das nicht will, muss sie sich halt trennen von der CDU und bundesweit antreten.

Nicht hinnehmbar wäre es jedenfalls, wenn die beiden großen Verliererp­arteien des Wahlsonnta­gs bei ihrem Treffen kein Ergebnis erzielen würden und sich auf ein zweites oder gar drittes Mal vertagen müssten. Damit machten sie ihr Problem zu dem des Landes. Schon jetzt sind zwei Wochen vergangen, ohne dass die für die Regierungs­bildung verantwort­liche Kraft auch nur eine erste Einladung zu Sondierung­sgespräche­n ausgesproc­hen hätte. Bei allen Nöten von Horst Seehofer, Deutschlan­d ist nicht nur Bayern und Bayern nicht nur die CSU. Deutschlan­d ist ein großes Industriel­and mit einer gewaltigen Verantwort­ung in Europa. Ein solches Land kann nicht lange unregiert bleiben. Noch mögen sie sich auf der sicheren Seite der Kanzlermac­her wähnen, weil sie ja stärkste Kraft sind. Wenn aber die Regierungs­bildung scheitert an ihrem Streit und ihren Eitelkeite­n, müssen Neuwahlen auch für Angela Merkel nicht gut ausgehen.

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