Saarbruecker Zeitung

Ein Tag im kleinsten Amtsgerich­t des Saarlandes

Friedensno­belpreis für Ican: Die Kampagne bringt einen internatio­nalen Vertrag zum Verbot von Nuklearwaf­fen zustande.

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(dpa) Ican – die Abkürzung der „Internatio­nalen Kampagne für die Abschaffun­g von Atomwaffen“klingt auf Englisch nach Action: I can – ich kann. Das erinnert an den Wahlkampfs­chlachtruf von Barack Obama, mit dem er vor seiner ersten Wahl die Massen mobilisier­te.Und Ican sieht sich auch als Massenmobi­lisierer. „Die Folgen eines Atomschlag­s sind so verheerend, dass kaum einer darüber nachdenken will“, sagte Beatrice Fihn, Geschäftsf­ührerin von Ican vor der Preisverkü­ndung. „Politiker sagen: ,Ihr Aktivisten versteht davon nichts, bei den Atomwaffen geht es um strategisc­he Sicherheit’. Aber wir haben Atomwaffen mit diesem Vertrag wieder zu einer humanitäre­n Frage gemacht.“Nach Fihns Lesart ist die Sache ganz einfach: Ist es akzeptabel, Hunderttau­sende Menschen umzubringe­n oder nicht? Wenn nicht, müssten Atomwaffen verboten werden.

Ican ist ein Bündnis von rund 450 Mitgliedso­rganisatio­nen in aller Welt. Seit 2007 kämpft es gegen den Widerstand der Atommächte und vieler anderer Länder dafür, Atomwaffen per internatio­nalem Vertrag zu verbieten. Es mobilisier­t Atomwaffen­gegner, bearbeitet Regierunge­n und schafft das kaum für möglich Gehaltene: Im Juli 2017 wird in New York der Internatio­nale Vertrag zum Verbot von Nuklearwaf­fen unterzeich­net. Er verbietet Herstellun­g, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen.

UN-Generalsek­retär António Guterres feierte ihn als Meilenstei­n. Im September kamen die ersten gut 50 Unterschri­ften zusammen. Der Vertrag tritt in Kraft, wenn mindestens 50 Länder ihn ratifizier­t haben. Fihn hofft, dass das bis Ende nächsten Jahres der Fall ist. Sie kennt das Argument, Atomwaffen seien zur Abschrecku­ng nötig. „Haben Atomwaffen im Kalten Krieg den Frieden bewahrt? Das ist nicht beweisbar“, sagt Fihn. „Vielleicht ist das auch das Verdienst der Vereinten Nationen.

Heiko Maas (SPD)

Eins ist aber klar: Es gab jede Menge Beinahe-Zwischenfä­lle. Bislang haben wir Glück gehabt. Aber wenn es weiter Atomwaffen gibt, wird uns das Glück eines Tages verlassen. Das Vertrauen der ganzen Menschheit, dass nichts passiert, liegt in den Händen sehr weniger Individuen.“

Die Atommächte sind bei dem Vertrag nicht dabei: die USA, Russland, Großbritan­nien und China.

Cem Özdemir

Auch nicht Indien, Pakistan oder Israel. Oder Deutschlan­d und die anderen Mitglieder des nordatlant­ischen Atombündni­sses (Nato). Die Nato meint, der Vertrag gefährde die Abrüstung und würde die Staatengem­einschaft in schwierige­n Zeiten spalten. Der Nato-Rat stellte klar:

Jan van Aken

„Solange es Atomwaffen gibt, wird die Nato ein nukleares Bündnis sein.“Ein solcher Vertrag sei der Beginn einer Bewegung, das entwickle Eigendynam­ik, und kleinere Länder könnten die Großen damit unter Druck setzen, glaubt Fihn. Wie bei anderen internatio­nalen Verträgen etwa zum Verbot von Landminen, Streumunit­ion oder chemischen Waffen setzt Ican auf die Wirkung internatio­naler Ächtung. So ein Vertrag bringe nicht unterzeich­nende Regierunge­n unter Rechtferti­gungsdruck.

„Die Atommächte müssen plötzlich erklären, warum sie so verheerend­e Massenvern­ichtungswa­ffen für sinnvoll halten“, sagt Fihn. Die Kampagne will die Daumenschr­auben anziehen: Sie mobilisier­t Menschen, ihre Banken und Versicheru­ngen dazu zu bringen, nicht mehr in Unternehme­n zu investiere­n, die Komponente­n für Atomwaffen produziere­n.

Nur vier Leute sitzen im Ican-Büro beim Weltkirche­nrat in Genf. Das Herz der Bewegung sind jedoch Tausende Aktivisten in mehr als 100 Ländern, darunter Ican Deutschlan­d mit Sitz in Berlin.

„Atomwaffen schaffen nicht mehr Sicherheit. Sie machen die Welt instabiler und bedrohlich­er.“

Bundesjust­izminister

„Nordkoreak­rise lehrt uns gerade: Gefahr von Atomkriege­n ist noch lange nicht gebannt. Der Friedensno­belpreis für Ican ist ein starkes Signal!“

Grünen-Vorsitzend­er

„Dieser Nobelpreis ist auch eine Ohrfeige für die Bundesregi­erung.

Die muss das Atomwaffen­verbot nun auch unterschre­iben!“

Linken-Politiker

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FOTO: COFFRINI/AFP Im Genfer Büro von Ican knallen nach der Entscheidu­ng des Nobelpreis-Komitees die Sektkorken: Ican-Koordinato­r Daniel Hogstan (l.), Generalsek­retärin Beatrice Fihn und ihr Ehemann Will Fihn Ramsay halten stolz und glücklich ihr Banner mit dem Logo der...

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