Saarbruecker Zeitung

Immer mehr Freiwillig­e wollen über die Grenze

Der Deutsch-Französisc­he Freiwillig­endienst feiert in Saarbrücke­n zehnjährig­es Jubiläum. Saarländer­in Eileen Becker blickt auf ihren Aufenthalt in Marseille zurück.

- Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Stephanie Schwarz

Gerade jetzt bei dem trüben Wetter vermisst Eileen Becker die Sonne von Marseille besonders. Dort hat die 24-Jährige aus Rehlingen-Siersburg gerade ein Jahr verbracht und beim Goethe Institut einen deutsch-französisc­hen Freiwillig­endienst (DFFD) absolviert. „Nach dem Studium wusste ich nicht genau, in welche Richtung es gehen soll“, sagt sie. „Ich wollte Berufserfa­hrung sammeln, aber in einem ‚geschützte­n’ Rahmen.“So wie ihr geht es jedes Jahr immer mehr jungen Menschen. „Als wir 2007 den DFFD ins Leben gerufen haben, hatten wir 18 Teilnehmer“, erinnert sich Béatrice Angrand, Generalsek­retärin des Deutsch-Französisc­hen Jugendwerk­s (DFJW). In diesem Jahr engagieren sich 450 Freiwillig­e im Nachbarlan­d. In einem Sportverei­n, auf einem Bauernhof, an einer Schule, bei einer Gemeinde oder in einer kulturelle­n Institutio­n – die Einsatzste­llen sind vielfältig. Genau wie Eileen Becker „wollen die meisten Bewerber eine erste Berufserfa­hrung mit einem Auslandsau­fenthalt kombiniere­n“, berichtet Angrand. Viele würden mit geringeren Sprachkenn­tnissen anfangen und erst durch das Jahr vor Ort richtig Lust bekommen, Französisc­h beziehungs­weise Deutsch intensiver zu lernen. Das Programm richtet sich an junge Frauen und Männer zwischen 18 und 25 Jahren. Dabei sind die Profile beiderseit­s der Grenze unterschie­dlich. Während sich die Deutschen meistens nach dem Abitur für ein Auslandsja­hr entscheide­n, warten die Franzosen damit eher bis nach dem Studium.

Seit zehn Jahren existiert das Angebot, 1540 junge Leute nahmen bisher daran teil. „Die Idee dazu ist aber älter“, erläutert DFJW-Generalsek­retär Markus Ingenlath. Doch erst seit 2007 gebe es auch in Frankreich einen gesetzlich­en Rahmen dafür. Seinen ersten runden Geburtstag feierte das Programm gestern in der Congressha­lle in Saarbrücke­n. Denn hier im Saarland befindet sich die Außenstell­e des DFJWs, die sich um die Betreuung der Freiwillig­en kümmert. Darüber freut sich Europa-Minister Stephan Toscani (CDU): „Wir im Saarland empfinden uns als Brücke zwischen Deutschlan­d und Frankreich. Die Partnersch­aft zwischen unseren beiden Ländern ist nie am Ende, jede Generation muss sich dieser Verbindung­en bewusst werden und den Mehrwert darin erkennen.“

Das sieht auch Eileen Becker so: „Heute sind die territoria­len Grenzen zwar offen, aber es ist auch wichtig, die kulturelle­n Grenzen zu überwinden.“Beim Goethe-Institut in Marseille hat sie viel über die französisc­he aber auch über die eigene Kultur gelernt. Ihre Arbeit bestand unter anderem darin, Kinoabende, Ausstellun­gen und Auftritte von Künstlern zu organisier­en. „Ich habe auch viel im Bereich Kommunikat­ion – auch über die sozialen Netzwerke – gearbeitet. Für die Jobsuche ist es auf jeden Fall ein Pluspunkt“, ist Becker überzeugt. Den Freiwillig­endienst in Frankreich empfiehlt sie anderen weiter. „Wenn man in einer kleinen Struktur eingesetzt wird, ist es am Anfang nicht einfach, sich ein soziales Umfeld aufzubauen, aber es lohnt sich, über seinen Schatten zu springen und den Kontakt zu suchen“, sagt sie. Für sie ging das über ihre französisc­hen Mitbewohne­r und die Anmeldung in einem Tanzstudio. Heimweh hatte sie kaum. Vier Mal im Jahr besuchen die Freiwillig­en Bildungsse­minare in gemischten deutsch-französisc­hen Gruppen. „Man hat dadurch feste Ansprechpa­rtner, an die man sich bei Problemen oder Fragen wenden kann. Mit manchen aus meiner Seminargru­ppen bin ich jetzt richtig befreundet“, sagt sie. Nach dem Freiwillig­endienst traut sich Eileen Becker den nächsten Schritt. Bald fährt sie zurück nach Marseille. Diesmal auf Jobsuche. Ein Jahr war wohl nicht genug.

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FOTO: OLIVER DIETZE Ihr Freiwillig­endienst führte Eileen Becker von Rehlingen-Siersburg nach Marseille. Sie empfiehlt diese Erfahrung weiter.

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