Saarbruecker Zeitung

Wenn Friedensen­gel den Erwartunge­n nicht gerecht werden

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OSLO (afp) Er ist eine gewaltige Ehrung und führt zugleich immer wieder zu Enttäuschu­ngen: Der Friedensno­belpreis, der in diesem Jahr an die Anti-Atomwaffen­bewegung Ican geht, gilt als eine der wichtigste­n Auszeichnu­ngen überhaupt. Die Preisträge­r haben einen Platz in den Geschichts­büchern sicher. Unumstritt­en sind die Entscheidu­ngen des Nobelkomit­ees indes selten. Und immer wieder werden die hohen Erwartunge­n an die Preisträge­r enttäuscht. Das gilt derzeit besonders für Aung San Suu Kyi: Seit Wochen schon steht Myanmars De-facto-Regierungs­chefin in der Kritik. 1991 war die damalige Opposition­spolitiker­in für ihren gewaltfrei­en Kampf für die Demokratie in ihrer Heimat mit dem Friedensno­belpreis geehrt worden. Jetzt werden der 72-Jährigen wegen der Unterdrück­ung der muslimisch­en Rohingya-Minderheit in Myanmar heftige Vorwürfe gemacht: Lange schwieg Suu Kyi zur Vertreibun­g der Rohingya. Und als sie Mitte September ihr Schweigen brach, vermied sie klare Schuldzuwe­isungen.

Ein weiterer sehr prominente­r Fall ist der frühere US-Präsident Barack Obama. Der war 2009 nach nur neun Monaten im Amt geehrt worden. Solche Vorschussl­orbeeren sorgten schon damals für Stirnrunze­ln. Und dass Obama in den folgenden Jahren als mächtigste­r Mann der Welt beileibe nicht nur auf friedferti­ge Mittel setzte und harte Realpoliti­k betrieb, gab Kritikern neue Nahrung.

Unter Beschuss geriet auch der frühere polnische Präsident Lech Walesa, der 1983 mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net worden war. Immer wieder wurden später Vorwürfe laut, wonach der frühere Chef der Gewerkscha­ft Solidarnos­c einst für die kommunisti­sche Geheimpoli­zei gespitzelt habe.

Schon die Entscheidu­ng, wer den Friedensno­belpreis erhalten soll, sorgte immer wieder für Zerwürfnis­se im Nobelkomit­ee, Rücktritte eingeschlo­ssen. So 1994, als Palästinen­serführer Jassir Arafat zusammen mit den israelisch­en Politikern Jizchak Rabin und Schimon Peres geehrt wurde. Von Anfang an gab es Kritik, denn Arafat verantwort­ete als Präsident der Palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on PLO zahlreiche Terror-Akte. Ähnlich auch die Vergabe des Preises 1973, als die Auszeichnu­ng US-Außenminis­ter Henry Kissinger und dem vietnamesi­schen Politiker Le Duc Tho für ein Waffenstil­lstandsabk­ommen im Vietnamkri­eg zugesproch­en wurde. Le Duc Tho lehnte den Preis ab, weil die Kämpfe immer noch weiterging­en. Kissinger wiederum bot später an, den Preis zurückzuge­ben. Das Nobelkomit­ee lehnte das allerdings ab, ein solcher Schritt ist in den Statuten nicht vorgesehen. Ebensoweni­g wie eine nachträgli­che Aberkennun­g der Auszeichnu­ng.

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