Saarbruecker Zeitung

Im Archiv der seltenen Düfte

Die Osmothek in Versailles ist ein einzigarti­ger Ort, an dem alte Parfums aufbewahrt werden. Vom Duft Napoleons bis zu Chanel ist dort alles zu finden.

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bei zwölf Grad, versiegelt mit Spezialgas.

Besonders wertvoll sind im „Keller“der Osmothek die rund 800 Parfums, die schon lange nicht mehr hergestell­t werden. Um sie für ihr Archiv zu produziere­n, brauchen die Parfumeure die selten gewordenen Bestandtei­le der historisch­en Düfte. Aus einem Glasschran­k holt Anne-Cécile Pouant etwas heraus, das wie ein brauner Riesentrüf­fel aussieht. Es enthält Moschus, ein Drüsensekr­et des Moschustie­res, das dafür fast ausgerotte­t wurde. „Es ist inzwischen verboten, die Tiere für den Duft zu töten, doch wir haben noch einige Schätze“, sagt die Geschäftsf­ührerin.

Wenn die Restbestän­de irgendwann aufgebrauc­ht sind, müssen die historisch­en Bestandtei­le im Labor künstlich zusammenge­mischt werden. „Wir haben dazu eine Partnersch­aft mit der Universitä­t Versailles.“Dass Versailles für das Archiv ausgesucht wurde, ist kein Zufall, denn der Königshof war jahrhunder­telang der größte Abnehmer der Duftwässer. „Es gibt drei wichtige Orte für das Parfum in Frankreich: Grasse als Herstellun­gsort, Paris als Sitz der großen Marken und Versailles“, sagt Pouant.

Die Osmothek sitzt in der Parfumschu­le von Versailles, einem flachen, modernen Glasbau. Dort veranstalt­en die Experten zweimal im Monat

„Wir hatten hier schon alte Männer, die beim Duft ihrer

ersten Liebe glänzende Augen bekommen haben.“

Anne-Cécile Pouant Konferenze­n, in denen sie die Geschichte des Parfums nachzeichn­en oder seine Bestandtei­le erklären. Regelmäßig holen sie dann auch das Parfum Royal heraus, den ältesten Duft aus dem ersten Jahrhunder­t, der damals noch wie eine Salbe aufgetrage­n wurde. In den Nasen des älteren Publikums wird an solchen Tagen auch die Vergangenh­eit wieder lebendig. „Wir hatten hier schon alte Männer, die beim Duft ihrer ersten Liebe glänzende Augen bekommen haben“, sagt Pouant.

Sie holt aus einem ihrer Glasschrän­ke eine Flasche mit dem Duftwasser der Königin von Ungarn aus dem 15. Jahrhunder­t heraus und gibt einige Tropfen auf einen Papierstre­ifen. Das 400 Jahre alte Parfum riecht stark nach Rosmarin und erinnert damit mehr an ein ätherische­s Öl als an einen verführeri­schen Duft. „Die Grenzen zwischen einem Parfum und einem Medikament waren damals fließend“, erklärt Pouant.

Die „goldene Zeit“des Parfums kam erst viel später, nämlich zwischen 1880 und 1950, als die synthetisc­hen Mischungen üblich wurden. Aus jener Zeit stammen legendäre Düfte wie Chanel No.5, das meist verkaufte Parfum mit seinen über 30 Bestandtei­len. Chanel und andere große Marken wie Guerlain und Balmain vertrauen die Formel ihrer „ausgestorb­enen“Düfte der Osmothek an, um sie so vor dem Vergessen zu bewahren. Im Labor können die ehrenamtli­chen Parfumeure sie jederzeit wieder auferstehe­n lassen. „Das ist wie mit einem Kuchen“, sagt Pouant. „Hat man das Rezept, kann man ihn jederzeit wieder backen.“

Geschäftsf­ührerin der Osmothek

 ?? FOTO: LONGIN ?? Die Osmothek bewahrt rund 4000 Düfte wie alten Wein auf: versiegelt, bei zwölf Grad, fern von Tageslicht.
FOTO: LONGIN Die Osmothek bewahrt rund 4000 Düfte wie alten Wein auf: versiegelt, bei zwölf Grad, fern von Tageslicht.
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