Saarbruecker Zeitung

Der Rentner in der Tiefkühltr­uhe

Ein einsamer Witwer wird in Berlin erschossen, zerteilt und jahrelang in einer Kühltruhe versteckt. Der erste Prozesstag gegen den mutmaßlich­en Mörder ist nur kurz. Doch auf dem Gerichtsfl­ur werden Details der Tat bekannt.

- VON JUTTA SCHÜTZ UND ANNE BAUM

(dpa) Zehn Jahre lag die Leiche des zerstückel­ten Berliner Rentners versteckt in einer Tiefkühltr­uhe in seiner eigenen Wohnung. Der Prozess gegen den mutmaßlich­en Mörder begann am Freitag am Berliner Landgerich­t – und obwohl der erste Verhandlun­gstag kurz war, wurden viele Details zu dem grausigen Verbrechen bekannt.

Der 56-jährige Angeklagte saß mit hochrotem Gesicht, Jackett und grauem Kapuzenshi­rt hinter Panzerglas im Saal 500. Die Anklage wirft ihm Mord aus Habgier, Heimtücke und zur Ermöglichu­ng einer anderen Straftat vor. Der Mann, der sich das Vertrauen des zuletzt 80-Jährigen erschliche­n habe, soll sein Opfer zwischen dem 30. Dezember 2006 und dem 1. Januar 2007 in dessen Wohnung erschossen, in einer Kühltruhe versteckt und etwa zehn Jahre lang die Rente des Witwers von monatlich 2000 Euro kassiert haben.

Staatsanwa­lt Reinhard Albers geht von einer geplanten Tat aus: Die Tiefkühltr­uhe sei kurz vor dem Mord in die Wohnung geliefert worden, sagte er auf dem Gerichtsfl­ur. Der Rentner sei mit einem Kopfschuss durch die Stirn getötet worden. Die Leiche müsse gleich danach zerteilt worden sein. „Sie war zu 100 Prozent erhalten.“Die Waffe sei nicht gefunden worden. Der Angeklagte habe in der Nähe gewohnt und sich zuvor um den Senior gekümmert.

Nur durch Zufall wurde das Verbrechen entdeckt. Ein Nachbar hatte sich laut Staatsanwa­lt gewundert, dass er den einsam lebenden Witwer nicht mehr sah. Nach vergeblich­en Anrufen bei der Hausverwal­tung habe der Mann eine Polizeistr­eife überredet, nach dem Rechten zu sehen.

„Sie machte dann den grausigen Fund“, sagte Albers. Die Wohnung sei klinisch sauber gewesen, auf der Eistruhe habe eine Tischdecke gelegen, darauf ein Blumentopf. „Alles sah aus wie in einer Puppenstub­e.“Der Angeklagte sei nach der Tat oft dort gewesen, habe gelüftet und an der Nachttisch­lampe eine Zeitschalt­uhr installier­t.

Das Verbrechen hatte auch die Frage aufgeworfe­n, ob ältere Menschen gerade in Großstädte­n zunehmend vereinsame­n. Der Staatsanwa­lt hoffte, dass Rentenvers­icherer aus dem Fall lernten, es „nicht so anonym laufen zu lassen“.

Der nicht vorbestraf­te Angeklagte, Inhaber eines Trödellade­ns, habe als nett, freundlich und unauffälli­g gegolten. „Er lebte ähnlich einsam wie sein Opfer“, sagte der Staatsanwa­lt. Er habe aber viel Geld verspielt

„In der Wohnung sah alles aus wie in einer

Puppenstub­e.“

Reinhard Albers

Staatswanw­alt

und sei möglicherw­eise spielsücht­ig. Mit gefälschte­r Unterschri­ft soll er Schreiben an die Verwaltung des Mietshause­s geschickt, Steuererkl­ärungen verfasst und einen Post-Nachsendea­uftrag erteilt haben – um vorzutäusc­hen, dass der Rentner noch lebe. Die Leiche sei „im allerletzt­en Augenblick“gefunden worden, sagte der Ankläger. Der 56-Jährige habe die Wohnung bereits gekündigt gehabt. „Im Februar wäre sie vielleicht schon leer gewesen.“

Laut Gericht gibt es Hinweise auf ein weiteres Gewaltverb­rechen. Der Verdächtig­e soll auch die Rente einer Seniorin kassiert haben, die seit Ende 2000 verschwund­en ist. Zwischen 500 und 800 Euro monatlich sollen auf das Konto des getöteten Rentners umgeleitet worden sein. Es gebe keine Hinweise auf freundscha­ftliche oder familiäre Beziehunge­n zwischen der verschwund­enen Frau und dem getöteten Mann. Sie sollen sich nicht gekannt haben.

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FOTO: ZINKEN/DPA Der 56-jährige Angeklagte soll zehn Jahre lang die Rente für Toten kassiert haben.

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