Auf den Spuren von Künstlern und Rebellen
Die norwegische R egion T el em ark ist nicht nur f ü r W anderer ein E dorado. Hier steht auch die W iege des m odernen Skisp orts.
LANGESUND „Eine Region, tausend Abenteuer“– mit diesem Slogan wirbt die norwegische Provinz Telemark. Das gut 15 000 Quadratkilometer große Gebiet im Süden ist vor allem bei Wanderern beliebt. Die Möglichkeiten reichen vom gemütlichen Küstenpfad bis zum steilen Bergaufstieg, vom familienfreundlichen Ausflug bis zur schweißtreibenden Tour für Fortgeschrittene.
Neben der großartigen Natur warten auf Reisende aber auch spannende Erlebnisse der geschichtlichen und kulturellen Art. Davon konnte sich jetzt eine Gruppe deutscher Journalisten bei der Pressereise „Telemark: „Wandern zwischen Schären und Gipfelkreuz“auf Einladung von Visit Telemark überzeugen. Und wir lernten: Wanderer, kommst Du nach Norwegen – vergiss die Zeitangaben und Schwierigkeitsgrade der lokalen Führer. Denn die Einheimischen kommen anscheinend mit Wanderstiefel auf die Welt, stürmen schon als Kleinkinder die Gipfel und sind auch im fortgeschrittenen Alter noch fit wie die berühmten Turnschuhe. Naturburschen eben – auch die Frauen. Wenn ein norwegischer Wanderführer von „drei Stunden“und „mittelschwer“spricht, dann plant man am besten vier bis fünf Stunden für einen anstrengenden Bergtrip ein. Aber: Spaß macht’s allemal.
Erste Station: Der Küstenpfad bei Langesund, dem Hafenort im Süden, in dem auch die Fähren zwischen Dänemark und Norwegen anlegen. Kjetil Ostlie, unser lokaler Reiseführer, zeigt uns die von vielen Schären (kleinen, felsigen Inseln) gespickte Küste mit schönen Buchten und interessanten Gesteinsformationen. „Das Wasser ist hier wegen des Golfstroms relativ warm“, meint Kjetil. Im Hotel Langesund Bad, einem alten Kurbad, das früher auch von dem Maler Edvard Munch und dem Schriftsteller Knut Hamsun besucht wurde, wird gerade renoviert. „Wir haben hier viele deutsche Touristen“, berichtet Hoteldirektor Andreas Nilsson, der das berühmte Seebad, das im Zweiten Weltkrieg als Hauptquartier der Nazis dienen musste, wieder auf Vordermann bringen möchte. Er plant einen Swimmingpool und Saunas, vielleicht auch wieder Badehäuser. „Früher gab es hier zwei Badehäuser, eines für Männer und eines für Frauen.“
Zweite Station: Das Lifjell-Plateau in der Nähe der Kommune Bø. Von der Lifellstua aus, einer gemütlichen Hütte mit Übernachtungsmöglichkeiten, wandern wir mit der quirligen Marianne Dale von Visit Bø ein Stück durch dieses 200 Quadratkilometer große Wanderund Skigebiet mit mehr als 20 Gipfel, die höher als 1000 Meter hoch sind. Steinig und nass ist unser Pfad, aber entschädigt werden wir von der nahezu unberührten Natur, der guten Luft und den Ausblicken auf weite Teile der Telemark.
Nächste Station: Vradal. Der kleine Ort mit gerademal rund 200 Einwohnern ist bei Familien sehr beliebt. Denn neben unterschiedlichsten Wandertouren lockt hier der große Binnensee Nisser, der im Sommer mit Temperaturen um 20 Grad als Badesee oder zum Bootfahren einlädt. Von Mai bis Oktober fährt das Museumsschiff MS Fram über den See. Neben Kapitän Jim ist der 90-jährige Matrose Olav Tveitane mit an Bord, packt nach wqie vor bei der Schleusung mit an und holt die Seile ein.
Wir wohnen im Quality Straand Hotel & Resort, und Hoteldirektor Sigmund Straand führt uns auf eine Wanderung zum 905 Meter hohen Venelifjell. „Der schöne Berg“trägt seinen Namen zurecht. Der Weg hinauf führt durch Wald und moorartige Abschnitte, dann wird es steiler und steiniger. Am Venelitjørn, einem kleinen, stillen See mit einer Schutzhütte, packen wir unsere Lunchpakete aus, Sigmund kocht frischen Kaffee. Bei Bilderbuchwetter geht es dann zum breiten Gipfel hoch, einem wunderschönen Fleckchen Erde aus Felsen, Steinen, Flechten, Heidekraut, Gras, Blauund Preisebeeren – mit einem 360Grad-Rundblick über Fjorde, Seen und Berge.
Unsere nächste Station ist Morgedal, die Wiege des modernen Skisports und die Heimat des Skipioniers Sondre Norheim. Im Ski-Museum werden in einer spannenden Multimedia-Reise wichtige Stationen der 4000 Jahre alten Geschichte des Skilaufens beleuchtet, vom Transportmittel über die militärische Nutzung bis zum Sportgerät.
Geschichtliches prägt auch die nächste Wanderstation. Wir besuchen das ehemalige Schwerwasserkraftwerk Vemork bei der Gemeinde Rjukan. Im Zweiten Weltkrieg wurde Vemork von den Nationalsozialisten besetzt, sie wollten das schwere Wasser zur Erzeugung von Wasserstoffbomben nutzen. Norwegische Widerstandskämpfer schlugen sich die steilen Schluchten hinunter nach Vemork, um die Schwerwasserfabrik zu sprengen. Heute ist Vemork ein sehenswertes Industriearbeitermuseum und Unesco-Weltkulturerbe. Und auf dem steilen Saboteurssteig können Reisende auf den Spuren der Rebellen wandern, eine anspruchsvolle, teilweise atemberaubende Tour mit einigen steilen und heiklen Stellen. Man muss Seile benutzen und einen Fluss überqueren...
Zum Finale unserer Reise geht es hinauf auf den Gaustatoppen, den mit 1883 Meter höchsten Berg der Telemark. Vom Gaustablikk Høyfjellshotell aus brechen wir auf. „Der Gaustatoppen ist für viele Einheimische der schönste Berg Norwegens“, stimmt uns unser Begleiter Hakon Nordby von Visit Telemark auf die Tour ein. Wir fahren ein gutes Stück mit dem Wagen hinauf, parken auf einer Hochebene und marschieren los. Für die Mühen des steinigen Anstiegs werden wir immer wieder mit herrlichen Ausblicken belohnt. Oben angekommen, kann man bei gutem Wetter zirka ein Sechstel von Norwegen sehen. Hinunter geht es dann durch den Berg, die Fahrt mit der steilen Gaustabahn erinnert an eine Grubeneinfahrt – spannendes Finale unserer Telemark-Tour.