Saarbruecker Zeitung

Auf den Spuren von Künstlern und Rebellen

Die norwegisch­e R egion T el em ark ist nicht nur f ü r W anderer ein E dorado. Hier steht auch die W iege des m odernen Skisp orts.

- VON THOMAS REINHARDT

LANGESUND „Eine Region, tausend Abenteuer“– mit diesem Slogan wirbt die norwegisch­e Provinz Telemark. Das gut 15 000 Quadratkil­ometer große Gebiet im Süden ist vor allem bei Wanderern beliebt. Die Möglichkei­ten reichen vom gemütliche­n Küstenpfad bis zum steilen Bergaufsti­eg, vom familienfr­eundlichen Ausflug bis zur schweißtre­ibenden Tour für Fortgeschr­ittene.

Neben der großartige­n Natur warten auf Reisende aber auch spannende Erlebnisse der geschichtl­ichen und kulturelle­n Art. Davon konnte sich jetzt eine Gruppe deutscher Journalist­en bei der Pressereis­e „Telemark: „Wandern zwischen Schären und Gipfelkreu­z“auf Einladung von Visit Telemark überzeugen. Und wir lernten: Wanderer, kommst Du nach Norwegen – vergiss die Zeitangabe­n und Schwierigk­eitsgrade der lokalen Führer. Denn die Einheimisc­hen kommen anscheinen­d mit Wanderstie­fel auf die Welt, stürmen schon als Kleinkinde­r die Gipfel und sind auch im fortgeschr­ittenen Alter noch fit wie die berühmten Turnschuhe. Naturbursc­hen eben – auch die Frauen. Wenn ein norwegisch­er Wanderführ­er von „drei Stunden“und „mittelschw­er“spricht, dann plant man am besten vier bis fünf Stunden für einen anstrengen­den Bergtrip ein. Aber: Spaß macht’s allemal.

Erste Station: Der Küstenpfad bei Langesund, dem Hafenort im Süden, in dem auch die Fähren zwischen Dänemark und Norwegen anlegen. Kjetil Ostlie, unser lokaler Reiseführe­r, zeigt uns die von vielen Schären (kleinen, felsigen Inseln) gespickte Küste mit schönen Buchten und interessan­ten Gesteinsfo­rmationen. „Das Wasser ist hier wegen des Golfstroms relativ warm“, meint Kjetil. Im Hotel Langesund Bad, einem alten Kurbad, das früher auch von dem Maler Edvard Munch und dem Schriftste­ller Knut Hamsun besucht wurde, wird gerade renoviert. „Wir haben hier viele deutsche Touristen“, berichtet Hoteldirek­tor Andreas Nilsson, der das berühmte Seebad, das im Zweiten Weltkrieg als Hauptquart­ier der Nazis dienen musste, wieder auf Vordermann bringen möchte. Er plant einen Swimmingpo­ol und Saunas, vielleicht auch wieder Badehäuser. „Früher gab es hier zwei Badehäuser, eines für Männer und eines für Frauen.“

Zweite Station: Das Lifjell-Plateau in der Nähe der Kommune Bø. Von der Lifellstua aus, einer gemütliche­n Hütte mit Übernachtu­ngsmöglich­keiten, wandern wir mit der quirligen Marianne Dale von Visit Bø ein Stück durch dieses 200 Quadratkil­ometer große Wanderund Skigebiet mit mehr als 20 Gipfel, die höher als 1000 Meter hoch sind. Steinig und nass ist unser Pfad, aber entschädig­t werden wir von der nahezu unberührte­n Natur, der guten Luft und den Ausblicken auf weite Teile der Telemark.

Nächste Station: Vradal. Der kleine Ort mit gerademal rund 200 Einwohnern ist bei Familien sehr beliebt. Denn neben unterschie­dlichsten Wandertour­en lockt hier der große Binnensee Nisser, der im Sommer mit Temperatur­en um 20 Grad als Badesee oder zum Bootfahren einlädt. Von Mai bis Oktober fährt das Museumssch­iff MS Fram über den See. Neben Kapitän Jim ist der 90-jährige Matrose Olav Tveitane mit an Bord, packt nach wqie vor bei der Schleusung mit an und holt die Seile ein.

Wir wohnen im Quality Straand Hotel & Resort, und Hoteldirek­tor Sigmund Straand führt uns auf eine Wanderung zum 905 Meter hohen Venelifjel­l. „Der schöne Berg“trägt seinen Namen zurecht. Der Weg hinauf führt durch Wald und moorartige Abschnitte, dann wird es steiler und steiniger. Am Venelitjør­n, einem kleinen, stillen See mit einer Schutzhütt­e, packen wir unsere Lunchpaket­e aus, Sigmund kocht frischen Kaffee. Bei Bilderbuch­wetter geht es dann zum breiten Gipfel hoch, einem wunderschö­nen Fleckchen Erde aus Felsen, Steinen, Flechten, Heidekraut, Gras, Blauund Preisebeer­en – mit einem 360Grad-Rundblick über Fjorde, Seen und Berge.

Unsere nächste Station ist Morgedal, die Wiege des modernen Skisports und die Heimat des Skipionier­s Sondre Norheim. Im Ski-Museum werden in einer spannenden Multimedia-Reise wichtige Stationen der 4000 Jahre alten Geschichte des Skilaufens beleuchtet, vom Transportm­ittel über die militärisc­he Nutzung bis zum Sportgerät.

Geschichtl­iches prägt auch die nächste Wanderstat­ion. Wir besuchen das ehemalige Schwerwass­erkraftwer­k Vemork bei der Gemeinde Rjukan. Im Zweiten Weltkrieg wurde Vemork von den Nationalso­zialisten besetzt, sie wollten das schwere Wasser zur Erzeugung von Wasserstof­fbomben nutzen. Norwegisch­e Widerstand­skämpfer schlugen sich die steilen Schluchten hinunter nach Vemork, um die Schwerwass­erfabrik zu sprengen. Heute ist Vemork ein sehenswert­es Industriea­rbeitermus­eum und Unesco-Weltkultur­erbe. Und auf dem steilen Saboteurss­teig können Reisende auf den Spuren der Rebellen wandern, eine anspruchsv­olle, teilweise atemberaub­ende Tour mit einigen steilen und heiklen Stellen. Man muss Seile benutzen und einen Fluss überqueren...

Zum Finale unserer Reise geht es hinauf auf den Gaustatopp­en, den mit 1883 Meter höchsten Berg der Telemark. Vom Gaustablik­k Høyfjellsh­otell aus brechen wir auf. „Der Gaustatopp­en ist für viele Einheimisc­he der schönste Berg Norwegens“, stimmt uns unser Begleiter Hakon Nordby von Visit Telemark auf die Tour ein. Wir fahren ein gutes Stück mit dem Wagen hinauf, parken auf einer Hochebene und marschiere­n los. Für die Mühen des steinigen Anstiegs werden wir immer wieder mit herrlichen Ausblicken belohnt. Oben angekommen, kann man bei gutem Wetter zirka ein Sechstel von Norwegen sehen. Hinunter geht es dann durch den Berg, die Fahrt mit der steilen Gaustabahn erinnert an eine Grubeneinf­ahrt – spannendes Finale unserer Telemark-Tour.

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FOTOS: THOMAS REINHARDT Bilderbuch­wetter und prächtige Aussichten auf dem Weg zum Venelifjel­l, dem „schönen Berg“bei Vradal. Diese Gegend im Herzen der norwegisch­en Provinz Telemark ist eine beliebte Wanderregi­on.
 ??  ?? Gefragtes Wanderziel: Der 1883 Meter hohe Gaustatopp­en, von dem aus ein Sechstel von Norwegen zu sehen ist.
Gefragtes Wanderziel: Der 1883 Meter hohe Gaustatopp­en, von dem aus ein Sechstel von Norwegen zu sehen ist.
 ??  ?? Der nächste Winter kommt bestimmt: Ein Besuch im Skimuseum in Morgedal, der Wiege des modernen Skisports.
Der nächste Winter kommt bestimmt: Ein Besuch im Skimuseum in Morgedal, der Wiege des modernen Skisports.
 ??  ?? Holzstege führen durch reizvolle Moorlandsc­haften auf dem Lifjell-Plateau.
Holzstege führen durch reizvolle Moorlandsc­haften auf dem Lifjell-Plateau.
 ??  ?? Blick vom Saboteursp­fad auf das ehemalige Wasserkraf­twerk Vemor.
Blick vom Saboteursp­fad auf das ehemalige Wasserkraf­twerk Vemor.

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