„Die Krankheit war nie sein Thema“
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Winfried Woll.
WIESBACH „Mein Papa hat sich bis zum Schluss immer nur Gedanken darum gemacht, wie es mit meiner Mutter und mir weitergeht. Seine Krankheit und wie schlimm es um ihn steht, war nie sein Thema“, erzählt Stefan Woll. Er ist der einzige Sohn von Hedi und Winfried Woll, hat ausschließlich gute Erinnerungen an seinen Papa.
Bilder aus seiner frühesten Kindheit zeigen das innige Verhältnis von Vater und Sohn. „Unser Stefan wurde 1983 geboren, in einer Zeit, in der längst nicht alle Papas mit dem Kinderwagen durchs Dorf sind. Doch mein Mann hat, sobald er von der Arbeit kam, Kind samt Wagen geschnappt und ist voller Stolz durch die Straßen spaziert“, erinnert sich Hedi Woll. Das, so vermutet sie, liegt wohl auch daran, dass die beiden sehr lange auf den ersehnten Nachwuchs warten musste n. „Bis zuletzt sind wir ein Kopf und ein Hintern gewesen“, betont Stefan, der, wie seine Mama und Winfrieds Bruder Werner Woll, den knapp 70 Jahren alten Mann in den Tod begleitet haben. „Das haben wir ihm sehr gerne ermöglicht. Er konnte hier zu Hause ganz in Frieden einschlafen“, sagt seine Frau. „Seine drei Jahre jüngere Schwester Walburga ist nur sechs Wochen nach ihrer Krebsdiagnose im Januar gestorben, das hat er bis zuletzt nicht verkraftet“, erzählt sie. Fast auf den Tag genau 45 Jahre haben sich Hedi und Winfried gekannt, geheiratet hat das Paar im Jahr 1974. „Und wir hatten trotz seiner Krankheit durchaus Pläne, auch noch Goldenen Hochzeit zusammen zu feiern“, sagt sie.
Bereits seit Weihnachten 2012 musste Familie Woll mit der Diagnose Krebs leben. „Mein Vater hat sich dadurch nicht unterkriegen lassen, hat vor allem viel im Garten gearbeitet“, sagt Sohn Stefan. Sein Haus und
Hedi Woll über ihre Ehe mit Winfried Woll sein Garten, dazu die Kaninchenzucht, die waren neben Familie und Freunde bis zuletzt das Lebenselixier des Ur-Wiesbachers. So hat er auch sein Elternhaus in Wiesbach nicht verlassen, blieb nach der Hochzeit am 6. Juni mit seiner Frau Hedi „In der Panz“wohnen. „Viele Jahre haben wir mit meinen Schwiegereltern unter einem Dach gelebt, das hat sehr gut funktioniert“, sagt Hedi Woll.
Während Winfrieds Vater August Woll Bergmann war, zog es ihn von Anfang an ins Büro. Nach der Volkschule hat er eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann gemacht, viele Jahre in Saarbrücken bei Peugeot gearbeitet. Einen „Kennenlerntag“haben die beiden übrigens nicht. „Ein Onkel meines Mannes war mein Pate, da sind wir uns öfter über den Weg gelaufen.“Doch eines Abends, Winfried war beim Kegeln, Hedi, die aus Mangelhausen stammt, in der Disko in Wiesbach, hat es schließlich doch gefunkt. „Und unsere Liebe hat 45 Jahre gehalten und hätte dies auch noch viel länger getan“, sagt sie.
Noch vor der Freundin hat Winfried Woll seine Liebe zu den Kaninchen entdeckt, die erste Zucht mit 15 Jahren begonnen. Stolze 55 Jahre war er im Verein SR 45 Wiesbach, 45 Jahre davon im Vorstand, stattliche 27 Jahre als Vorsitzender. „Zuletzt hat mein Mann noch die Tierkinderschau in der Wiesbachhalle ins Leben gerufen. Die konnte noch zweimal stattfinden“, erzählt die Witwe. Eine Urkunde im Esszimmer berichtet davon, wie engagiert Woll in der Kaninchenzucht war. Als „Meister der Kaninchenzucht“, einer Auszeichnung, die im Saarland nur einer Handvoll Züchter zuteilwurde, hat er über Jahrzehnte im Verein, aber auch im Verband eine Menge Engagement gezeigt. Aber auch bei den zahlreichen Freunden, weiß seine Frau, war ihr Mann sehr beliebt. „Wenn wir Busreisen unternommen haben, hatte er schnell einen ganzen Bus mit Freunden zusammen“, sagt sie. Die führte das Paar von Hamburg bis an den Gardasee. Aber auch Sohn Stefan hat viele schöne Erinnerungen an die Urlaubstage auf dem Bauernhof im Allgäu und im Schwarzwald. „Mein Papa war sehr naturverbunden, hat fotografiert, was ihm vor die Linse kam. Da war es gut, dass die Digital Fotografie erfunden wurde“, sagt er.
Nach der ersten Diagnose im Jahr 2012, als drei Tage vor Weihnachten völlig überraschend Darmkrebs entdeckt wurde, hat sich Winfried Woll schnell wieder berappelt. „Selbst nach der Chemotherapie ist er nach Hause und in seinen Garten, hat die Ställe saubergemacht oder den Rasen gemäht“, erinnert sich Sohn Stefan. Doch der Krebs kam wieder und wieder. „Mein Vater hat sich am Ende wirklich an jeden Strohhalm geklammert. Selbst, als er als austherapiert galt, sind wir nach Lebach zu einer neuen Therapiemethode gefahren“, erzählt er. Doch die, weiß seine Frau, hat ihn noch mehr geschwächt. „Wir haben über alles gesprochen, er hatte auch eine Patientenverfügung“. Als es ihm an Mariä Himmelfahrt morgens richtig schlecht ging, hat die Familie den Notarzt gerufen. „Der hat mit seinem Team absolut richtig gehandelt, mein Papa durfte, so wie er wollte, zu Hause bleiben und auch hier sterben“.
Jetzt fehlt er den beiden sehr, „und manchmal kann ich es, obwohl er schon viele Jahre sehr krank war, nicht glauben“, sagt der Sohn. „Wir haben Haus und Hof, das halte ich in Ordnung und ich verkrieche mich nicht, werde von Familie und Freunden aufgefangen, so wie es mein Mann gewollt hat“, sagt Hedi Woll abschließend. ............................................. Auf der Seite „Momente" stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorbener vor. Im Internet: saarbruecker-zeitung.de/lebenswege
„Unsere Liebe hat 45 Jahre gehalten und hätte dies auch noch viel länger
getan.“
Michaela Heinze Aloisius Tritz