Kramp-Karrenbauer greift SPD scharf an
Die Ministerpräsidentin macht die Sozialdemokraten für den Erfolg der AfD mitverantwortlich.
DRESDEN/SAARBRÜCKEN (dpa/SZ) Zwei Wochen nach der Bundestagswahl hat die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) SPD und Linke auf Bundesebene scharf attackiert und für das Erstarken der AfD mitverantwortlich gemacht. Die Rechtspopulisten hätten von der Angst vieler Menschen profitiert, dass sie wegen der Flüchtlinge auf etwas verzichten müssten. „Es waren die Linken und es war die SPD, die diesen Wind gesät und die diesen Sturm für ganz Deutschland mitgeerntet haben“, sagte sie gestern beim „Deutschlandtag“der Jungen Union in Dresden.
Kramp-Karrenbauer, die im Saarland eine schwarz-rote Landesregierung führt, kritisierte zudem die am Wochenende von Parteichef Martin Schulz nochmals bekräftigte Entscheidung der SPD für die Oppositionsrolle. „Die Sozialdemokraten fühlen sich nur wohl, wenn sie zuerst an die Partei und dann an das Land denken.“Die SPD werde deshalb nie geeignet sein, das Land zu führen. Den Sozialdemokraten im Bundestag warf sie ein „Rennen um die populistische Opposition“gegen Linke und AfD vor. Sie würde sich nicht wundern, wenn der ehemalige Parteichef Willy Brandt „vor lauter Scham auf die Sozialdemokraten im Grab rotieren“würde.
Derweil verteidigte Kramp-Karrenbauer das Recht auf Asyl. „Ein Einwanderungsgesetz alleine wird nicht dazu führen und wird vor allen Dingen keine Gewähr sein dafür, dass wir keine humanitäre Zuwanderung haben“, sagte sie. Man stehe zum Grundgesetz, auch habe sich Deutschland der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet. Das bedeute aber nicht, dass man Punkte, die nicht funktionierten – etwa bei der Begrenzung der Zuwanderung – nicht verbessern könnte.
Genau dieses Thema stand gestern im Zentrum eines Krisentreffens von Kanzlerin Angela Merkel mit Spitzenvertretern von CDU und CSU. Teilnehmerkreisen zufolge verständigte sich die Runde auf eine Höchstgrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr.
(dpa) CDU und CSU haben sich nach jahrelangem Streit über eine Flüchtlings-Obergrenze beim Thema Zuwanderung geeinigt. Der Kompromiss enthält die Zahl von 200 000 Menschen als Obergrenze. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntagabend aus Teilnehmerkreisen der Unionsverhandlungen über einen gemeinsamen Kurs für die anstehenden Gespräche über ein Jamaika-Bündnis.
Mit einem Kompromiss in der lange schwelenden Obergrenzen-Debatte wäre das wichtigste Hindernis für eine gemeinsame Linie der zerstrittenen Unionsschwestern in den anstehenden Jamaika-Verhandlungen mit FDP und Grünen beseitigt.
In der Endversion der Einigung heißt es: „Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen (Flüchtlinge und Asylbewerber, subsidiär Geschützte, Familiennachzug, Relocation und Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwillige Ausreisen künftiger Flüchtlinge) die Zahl von 200 000 Menschen im Jahr nicht übersteigt.“Subsidiär Geschützte sind Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus, „Relocation und Resettlement“meint die gesteuerte Umsiedlung von Flüchtlingen. Die Zuwanderung von Arbeitskräften oder EU-Ausländern ist nicht betroffen.
CSU-Chef Horst Seehofer hat damit im Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen gesichtswahrenden Kompromiss erreicht. Er hatte in den vergangenen Jahren gegen Merkels strikten Widerstand auf einer Flüchtlings-Obergrenze in dieser Größenordnung bestanden. Auch mit den Grünen dürfte eine Obergrenze in den Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis nicht durchzusetzen sein. Auch künftig soll kein Asylsuchender an der deutschen Grenze abgewiesen werden. In Fällen, in denen Menschen an der Grenze Asyl beantragten, werde es auch künftig ein ordentliches Verfahren geben, hieß es weiter. Damit werde Merkels Zusage umgesetzt, dass das Grundrecht auf Asyl keine Obergrenze kenne.
CDU und CSU wollen sich zudem für eine EU-weite Lösung im Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen einsetzen. Die illegale Migration solle reduziert und die Schlepperkriminalität besser bekämpft werden. Der Kompromiss sieht nach dpa-Informationen auch eine Ausnahmeregelung vor. Demnach sollen in Ausnahmesituationen – beispielsweise humanitären Krisen – Bundesregierung und Bundestag sich mit der Frage befassen, wie man mit einem möglichen neuen Flüchtlingsansturm auf Europa und Deutschland umgeht.
Neu ankommende Asylbewerber
Auch künftig soll kein Asylsuchender an der
deutschen Grenze abgewiesen werden.
sollen demnach künftig in speziellen Aufenthaltszentren bleiben, bis über ihre Verfahren entschieden ist. Verfahren sollen nach den Plänen der Unionsschwestern in „Entscheidungsund Rückführungszentren“gebündelt werden. Vorbild seien entsprechende Einrichtungen in den bayerischen Städten Manching und Bamberg sowie im baden-württembergischen Heidelberg. Falls Anträge abgelehnt werden, sollten die Betroffenen aus diesen Einrichtungen zurückgeführt werden.
Zudem wird in dem Entwurf die Forderung untermauert, die Liste der sicheren Herkunftsländer zu erweitern. Dies gelte mindestens für Marokko, Algerien und Tunesien. CDU und CSU einigten sich zudem auf ein neues Gesetz zur Steuerung der Fachkräftezuwanderung. Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Kompromiss war nach den Informationen am Abend nicht geplant. CDU und CSU vertagten nach der Einigung in der Flüchtlingspolitik weitergehende Beratungen.
Seehofer drang vor dem Treffen – auch angesichts der Wahlerfolge der AfD – auf eine konservative Rückbesinnung der Union. In einem Zehn-Punkte-Plan hatte Seehofer eine Hinwendung zu klassisch konservativen Themen wie Leitkultur und Patriotismus gefordert, um die gesamte Union auf einen konservativeren Kurs zurückführen. In dem Papier war der umstrittene Begriff Obergrenze ohne Nennung einer konkreten Zahl in einer Art Überschrift enthalten. Im erklärenden Text wurde dann von „Begrenzung“gesprochen.
Die Union war bei der Wahl am 24. September zwar stärkste Kraft geworden, hatte aber mit 32,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 eingefahren. Nachdem sich die SPD auf eine Oppositionsrolle festgelegt hat, will Merkel mit FDP und Grünen über ein Bündnis verhandeln.
Angela Merkel hatte am Samstag beim „Deutschlandtag“der Jungen Union angekündigt, man werde mit FDP und Grünen „um die richtigen Antworten ringen“. Über einen Koalitionsvertrag werde ein Sonderparteitag der CDU entscheiden.