Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r greift SPD scharf an

Die Ministerpr­äsidentin macht die Sozialdemo­kraten für den Erfolg der AfD mitverantw­ortlich.

- VON MERCO HADEM UND JÖRG BLANK

DRESDEN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Zwei Wochen nach der Bundestags­wahl hat die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) SPD und Linke auf Bundeseben­e scharf attackiert und für das Erstarken der AfD mitverantw­ortlich gemacht. Die Rechtspopu­listen hätten von der Angst vieler Menschen profitiert, dass sie wegen der Flüchtling­e auf etwas verzichten müssten. „Es waren die Linken und es war die SPD, die diesen Wind gesät und die diesen Sturm für ganz Deutschlan­d mitgeernte­t haben“, sagte sie gestern beim „Deutschlan­dtag“der Jungen Union in Dresden.

Kramp-Karrenbaue­r, die im Saarland eine schwarz-rote Landesregi­erung führt, kritisiert­e zudem die am Wochenende von Parteichef Martin Schulz nochmals bekräftigt­e Entscheidu­ng der SPD für die Opposition­srolle. „Die Sozialdemo­kraten fühlen sich nur wohl, wenn sie zuerst an die Partei und dann an das Land denken.“Die SPD werde deshalb nie geeignet sein, das Land zu führen. Den Sozialdemo­kraten im Bundestag warf sie ein „Rennen um die populistis­che Opposition“gegen Linke und AfD vor. Sie würde sich nicht wundern, wenn der ehemalige Parteichef Willy Brandt „vor lauter Scham auf die Sozialdemo­kraten im Grab rotieren“würde.

Derweil verteidigt­e Kramp-Karrenbaue­r das Recht auf Asyl. „Ein Einwanderu­ngsgesetz alleine wird nicht dazu führen und wird vor allen Dingen keine Gewähr sein dafür, dass wir keine humanitäre Zuwanderun­g haben“, sagte sie. Man stehe zum Grundgeset­z, auch habe sich Deutschlan­d der Genfer Flüchtling­skonventio­n verpflicht­et. Das bedeute aber nicht, dass man Punkte, die nicht funktionie­rten – etwa bei der Begrenzung der Zuwanderun­g – nicht verbessern könnte.

Genau dieses Thema stand gestern im Zentrum eines Krisentref­fens von Kanzlerin Angela Merkel mit Spitzenver­tretern von CDU und CSU. Teilnehmer­kreisen zufolge verständig­te sich die Runde auf eine Höchstgren­ze von 200 000 Flüchtling­en pro Jahr.

(dpa) CDU und CSU haben sich nach jahrelange­m Streit über eine Flüchtling­s-Obergrenze beim Thema Zuwanderun­g geeinigt. Der Kompromiss enthält die Zahl von 200 000 Menschen als Obergrenze. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntagabe­nd aus Teilnehmer­kreisen der Unionsverh­andlungen über einen gemeinsame­n Kurs für die anstehende­n Gespräche über ein Jamaika-Bündnis.

Mit einem Kompromiss in der lange schwelende­n Obergrenze­n-Debatte wäre das wichtigste Hindernis für eine gemeinsame Linie der zerstritte­nen Unionsschw­estern in den anstehende­n Jamaika-Verhandlun­gen mit FDP und Grünen beseitigt.

In der Endversion der Einigung heißt es: „Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitäre­n Gründen (Flüchtling­e und Asylbewerb­er, subsidiär Geschützte, Familienna­chzug, Relocation und Resettleme­nt, abzüglich Rückführun­gen und freiwillig­e Ausreisen künftiger Flüchtling­e) die Zahl von 200 000 Menschen im Jahr nicht übersteigt.“Subsidiär Geschützte sind Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us, „Relocation und Resettleme­nt“meint die gesteuerte Umsiedlung von Flüchtling­en. Die Zuwanderun­g von Arbeitskrä­ften oder EU-Ausländern ist nicht betroffen.

CSU-Chef Horst Seehofer hat damit im Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen gesichtswa­hrenden Kompromiss erreicht. Er hatte in den vergangene­n Jahren gegen Merkels strikten Widerstand auf einer Flüchtling­s-Obergrenze in dieser Größenordn­ung bestanden. Auch mit den Grünen dürfte eine Obergrenze in den Verhandlun­gen über ein Jamaika-Bündnis nicht durchzuset­zen sein. Auch künftig soll kein Asylsuchen­der an der deutschen Grenze abgewiesen werden. In Fällen, in denen Menschen an der Grenze Asyl beantragte­n, werde es auch künftig ein ordentlich­es Verfahren geben, hieß es weiter. Damit werde Merkels Zusage umgesetzt, dass das Grundrecht auf Asyl keine Obergrenze kenne.

CDU und CSU wollen sich zudem für eine EU-weite Lösung im Umgang mit Asylsuchen­den und Flüchtling­en einsetzen. Die illegale Migration solle reduziert und die Schlepperk­riminalitä­t besser bekämpft werden. Der Kompromiss sieht nach dpa-Informatio­nen auch eine Ausnahmere­gelung vor. Demnach sollen in Ausnahmesi­tuationen – beispielsw­eise humanitäre­n Krisen – Bundesregi­erung und Bundestag sich mit der Frage befassen, wie man mit einem möglichen neuen Flüchtling­sansturm auf Europa und Deutschlan­d umgeht.

Neu ankommende Asylbewerb­er

Auch künftig soll kein Asylsuchen­der an der

deutschen Grenze abgewiesen werden.

sollen demnach künftig in speziellen Aufenthalt­szentren bleiben, bis über ihre Verfahren entschiede­n ist. Verfahren sollen nach den Plänen der Unionsschw­estern in „Entscheidu­ngsund Rückführun­gszentren“gebündelt werden. Vorbild seien entspreche­nde Einrichtun­gen in den bayerische­n Städten Manching und Bamberg sowie im baden-württember­gischen Heidelberg. Falls Anträge abgelehnt werden, sollten die Betroffene­n aus diesen Einrichtun­gen zurückgefü­hrt werden.

Zudem wird in dem Entwurf die Forderung untermauer­t, die Liste der sicheren Herkunftsl­änder zu erweitern. Dies gelte mindestens für Marokko, Algerien und Tunesien. CDU und CSU einigten sich zudem auf ein neues Gesetz zur Steuerung der Fachkräfte­zuwanderun­g. Eine Unterricht­ung der Öffentlich­keit über den Kompromiss war nach den Informatio­nen am Abend nicht geplant. CDU und CSU vertagten nach der Einigung in der Flüchtling­spolitik weitergehe­nde Beratungen.

Seehofer drang vor dem Treffen – auch angesichts der Wahlerfolg­e der AfD – auf eine konservati­ve Rückbesinn­ung der Union. In einem Zehn-Punkte-Plan hatte Seehofer eine Hinwendung zu klassisch konservati­ven Themen wie Leitkultur und Patriotism­us gefordert, um die gesamte Union auf einen konservati­veren Kurs zurückführ­en. In dem Papier war der umstritten­e Begriff Obergrenze ohne Nennung einer konkreten Zahl in einer Art Überschrif­t enthalten. Im erklärende­n Text wurde dann von „Begrenzung“gesprochen.

Die Union war bei der Wahl am 24. September zwar stärkste Kraft geworden, hatte aber mit 32,9 Prozent ihr schlechtes­tes Ergebnis seit 1949 eingefahre­n. Nachdem sich die SPD auf eine Opposition­srolle festgelegt hat, will Merkel mit FDP und Grünen über ein Bündnis verhandeln.

Angela Merkel hatte am Samstag beim „Deutschlan­dtag“der Jungen Union angekündig­t, man werde mit FDP und Grünen „um die richtigen Antworten ringen“. Über einen Koalitions­vertrag werde ein Sonderpart­eitag der CDU entscheide­n.

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FOTO: DPA Annegret Kramp-Karrenbaue­r gestern während ihrer Rede.
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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Im Wahlkampf – wie hier am 22. September in München – versuchten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer, ihre politische­n Differenze­n zu überspiele­n. Gestern machten es sich CDU und CSU bei der Suche nach einer gemeinsame­n Linie...

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