Saarbruecker Zeitung

Eine resolute Frau für schwierige Fälle

Elke Holstein aus Sulzbach betreut Alkoholike­r, Drogenabhä­ngige, Straffälli­ge, Behinderte und Demenzkran­ke

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Saarbrücke­n ließ sie sich als ehrenamtli­che Betreuerin gewinnen. „Ohne diesen Kontakt wäre ich noch heute als Podologin unterwegs“, sagt Holstein. Zehn Jahre lang führte die Sulzbacher­in bis zu zehn ehrenamtli­che Betreuunge­n. „Das sind die ‚einfachen’ Fälle“, erläutert sie. „Da ist von hauptamtli­chen Betreuern alles geregelt: Haus verkauft, Rentenantr­äge gestellt und über die Unterbring­ung im Heim die Versorgung gesichert“, erklärt die Sulzbacher­in.

Ehrenamtli­che Betreuer organisier­en das Leben von Heimbewohn­ern, die aufgrund psychische­r Krankheite­n, körperlich­er, geistiger oder seelischer Behinderun­gen nicht in der Lage sind, ihre Angelegenh­eiten selber zu regeln. „Dabei geht es im Wesentlich­en um die Erledigung von Schriftver­kehr mit den Sozialhilf­eträgern. Natürlich gehören zur Arbeit auch Besuche im Heim, um zu sehen, dass es den Betreuten gut geht.“

Das erledigte die Mutter zweier Töchter so gut, dass sie 2010 vom Regionalve­rband Saarbrücke­n zu einem Vorstellun­gsgespräch für Betreuer eingeladen wurde. Die Frage, ob sie Berührungs­ängste gegenüber Alkoholike­rn, Drogenabhä­ngigen oder anderen möglichen Klienten habe, verneinte die 53-Jährige.

Doch die Arbeit einer Betreuerin ist nicht immer leicht: In Friedrichs­thal fand Elke Holstein bei einem ihrer wöchentlic­hen Besuche eine Alkohollei­che. Aus Dudweiler hatte ein Mann angerufen, dass seine Freundin tot in der Wohnung liege. Zwei Tage vor Heiligaben­d entdeckte

Elke Holstein sie die von ihr betreute Mittfünfzi­gerin, die an einer Alkoholver­giftung verstorben war. Derzeit hat Holstein 105 Straftaten „in Verhandlun­g“, wobei sie die Diebstähle aus Altenheime­n als „unterstes Niveau“bezeichnet. Dann war da noch das total vermüllte Haus eines Mannes. Aus der Kühltruhe drang der Ekel erregende Geruch faulenden Fleisches. Das Surren zahlloser Mücken hätte sie darauf hinweisen müssen, dass die Wohnung von Maden übersät war. „Aber damals war ich noch neu. Entweder schaffst du das“, habe sie sich gesagt, „oder du machst etwas anderes.“

Sie hat es geschafft, „denn es tut dir selber gut, wenn du anderen helfen kannst. Wenn Heimbewohn­er im Sterben liegen gehe ich hin, um mich zu verabschie­den“, berichtet Holstein. Altenheime, Gesundheit­sämter oder Obdachlose­nheime, die sich um das Wohlergehe­n ihrer Klienten sorgen, schlagen die Sulzbacher­in immer wieder als Berufsbetr­euerin bei Gericht vor.

Auch vom Vormundsch­aftsgerich­t werden ihr aufgrund der vorhergehe­nden ehrenamtli­chen Tätigkeit gerne „die schwierige­n Fälle“übertragen. „Ich betreue Alkoholike­r, Drogenabhä­ngige, Straffälli­ge, Behinderte und Demenzkran­ke“, erzählt Elke Holstein. „Meine Klienten sind zwischen 22 und 101 Jahren alt.“Für ihre jüngeren Betreuten hat sie schon einige private Insolvenzv­erfahren auf den Weg gebracht, um deren Zukunft frei von finanziell­en Sorgen gestalten zu können. „Ich muss sehen, dass Alleinsteh­ende nicht verwahrlos­en, Verwahrlos­te zu einem ordentlich­en Leben zurückfind­en.“Zu ihrem Aufgabenbe­reich gehören die Organisati­on von Krankenhau­saufenthal­ten und Rehabilita­tionsmaßna­hmen, der Verkauf von Häusern zur Finanzieru­ng einer eventuell notwendige­n Heimunterb­ringung und – in wenigen Fällen – die Vermögensv­erwaltung.

Gespräche mit Polizei und Gerichten sind Alltag: „Da klaut einer einen Lkw für eine Spritztour durch das Saarland. Ein anderer sucht Hasenfutte­r und findet dabei eine Hanfpflanz­e, die er zu Hause weiter wachsen lässt, bis Nachbarn die Polizei rufen. Und wieder ein anderer bricht bei einer Motorradga­ng ein.“Das sind ihre Kandidaten für die Entzugsans­talt auf dem Schaumberg­er Hof oder der Merziger Psychiatri­e.

Was man als hauptberuf­liche Betreuerin braucht? Dazu hat die Sulzbacher­in klare Vorstellun­gen: soziales Engagement, Menschenke­nntnis und „man muss sich einarbeite­n wollen. Da helfen eine solide Berufsausb­ildung und Gesetzeske­nntnis“. Holstein bedauert, dass das Bild der Berufsbetr­euer oft in schlechtem Licht dargestell­t werde. „Diejenigen, die sich nicht um ihre Betreuten kümmern und dann auch noch wegen Unterschla­gung von fremden Vermögen in die Schlagzeil­en kommen, machen all’ die engagierte Arbeit zunichte, von der leider keiner erfährt“, sagt Holstein.

Rund 1,3 Millionen Menschen sind in Deutschlan­d auf Betreuung angewiesen – rund 13 000 Berufsbetr­euer übernehmen deren Beratung, Unterstütz­ung und Vertretung. „Man braucht eine gewisse Empathie für schwierige Menschen“, sagt Elke Holstein. Aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g in Deutschlan­d gibt es Bedarf an zuverlässi­gen, vertrauens­vollen und im Sozialwese­n kundigen Betreuern, denn zunehmend mehr Menschen sind vom Leben überforder­t und brauchen ohne Anverwandt­e Unterstütz­ung, weil sie sich nicht selbst versorgen können.

Zwischen 201 und 854 Euro zahlt das Vormundsch­aftsgerich­t für eine Betreuung im Quartal. Bei Elke Holstein entspricht ihr Einkommen einem guten Bürojob. Als Freiberufl­erin muss sie davon allerdings alle Ausgaben von der Krankenver­sicherung über das unerlässli­che Auto bis hin zum Büro bestreiten. „Man kann davon leben, muss aber auch rund um die Uhr bereit sein, bei Problemen der Betreuten sofort Lösungen anbieten zu können“, betont Holstein. Für ihre jüngeren Betreuten ist die zweifache Mutter eine resolute Helferin, wenn sie selber nicht mehr weiter wissen.

„Es tut dir selber gut, wenn du anderen helfen kannst. Wenn Heimbewohn­er im Sterben liegen gehe ich hin, um mich zu verabschie­den.“

Berufsbetr­euerin

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FOTO: ASTRID KARGER Nach einem Unfall ihrer Tochter ist Elke Holstein erstmals mit dem Thema Betreuung konfrontie­rt worden. Heute ist sie eine von 13 000 Berufsbetr­euern in Deutschlan­d. Ihre Klienten sind zwischen 22 und 101 Jahre alt und dankbar für ihre Hilfe. Unser...

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