Hemmungslosigkeit und Tiefe
Das Saarländische Staatsorchester gab sein 1. Sinfoniekonzert in der neuen Saison.
schwierigere Aufgabe. Jazzinspiriertes Musizieren war gefragt, ein wenig freche Hemmungslosigkeit, fiebriges Drängen und melancholischer Gestus. Bei der Solistin Tamara Stefanovitch war das in guten, virtuosen Händen mit sensiblem Ausdruck, kraftvollem Zugriff und rhythmischer Sicherheit. Für diese ungewöhnliche Mischung aus klassischen Mustern und jazzigen Details fand Milton einen eingängigen Mittelweg.
Rag-Thematik und Blues-Anklänge huschten vorüber, im Adagio ließ ein „dirty“Trompetensolo aufhorchen. Milton begleitete plastisch und präzise, ließ der Solistin dort Raum, wo sie etwas zu sagen hatte. Im sprudelnden Finale jedoch geriet, unorthodox Instrumentiert, so mancher Taktwechsel, manche Synkope etwas ins Schleudern. Unterhaltsam war es allemal.
Mit der „Vierten“von Johannes Brahms wurde es richtig ernst, ja deutsch. Hörbar wurde, wie schwer sich der Komponist mit ihr und seinem Prinzip der „durchbrochenen thematischen Arbeit aus Motivkeimen“getan hat. Die Hörner spielten sich dynamisch in Hochform, die Streicher jedoch konnten sich nicht so recht einschwingen. Auch weil sie oft von den Bläsern dominiert wurden. Miltons breite Tempi ließen Leichtfüßigkeit nur im Giocoso zu, auch wenn alles handwerklich gut gearbeitet war.
Brahms’ begrenzte emotionale Bandbreite wurde weitgehend getroffen, lustvolles Ringen um Tiefe und gebremstes Aufbegehren wurden zur schwerblütigen, von Milton mit unermüdlicher Anfeuerung erarbeiteten Lösung.