Saarbruecker Zeitung

Da schau an, ein Maler-Unternehme­r

Die opulente Kölner Schau „A Star was born“mit 30 eigenhändi­gen Bildern Tintoretto­s rückt dessen Frühwerk in den Fokus.

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(habend), den die Malerei je besessen“, seine gesellscha­ftliche Stellung zu verbessern. Da musste er sich etwas einfallen lassen, denn die Stadt war voll von Künstlern.

Überborden­des Talent – Tintoretto erfuhr nur eine kurze malerische Ausbildung – reichte nicht. Neue Marketings­trategien, wie man heute sagen würde, waren gefragt. Er produziert­e nicht nur en masse und mit großer Experiment­ierfreude und Themenviel­falt, er verwendete auch Vorlagen anderer Maler (auch von Dürer) und unterwande­rte den von Tizian dominierte­n Markt mit Dumpingang­eboten. Tintoretto beschäftig­te Mitarbeite­r und war selber als Subunterne­hmer für andere Maler tätig – sogar für Tizian. All dies machte die Zuschreibu­ng der Werke schon immer schwierig, diente aber letztlich dem Ziel, „die Malerei zu revolution­ieren“, wie es Kurator Roland Krischel formuliert.

Im Mittelpunk­t steht das Werkstattv­erhältnis Tintoretto­s zu Giovanni Galizzi. Der Kölner Tintoretto-Experte nennt „ganz unterschie­dliche Kooperatio­nspraktike­n“. Entweder malten beide am selben Bild oder Galizzi vollendete einen angefangen­en Tintoretto oder er arbeitete alleine nach einer Zeichnung des Meisters. Die Autorenang­aben lauten nun „Tintoretto und Werkstatt“. In Köln werden die Betrachter auf Qualitätsu­nterschied­e hingewiese­n. So wird die Architektu­rkulisse in „Christus und die Ehebrecher­in“Tintoretto zugeschrie­ben, die wenig ausdruckss­tarken Figuren dagegen seinem Mitarbeite­r. Zur Bestätigun­g wird ein malerisch unausgerei­fter Hl. Markus von Galizzi, den Krischel als „Handwerker“bezeichnet, gezeigt. Dem Verkaufser­folg stand diese Praxis jedoch nicht im Wege.

Nach Abnahme von Firnis-Schichten kann das allegorisc­he „Liebeslaby­rinth“aus dem Besitz der englischen Königin wieder Tintoretto­s Werkstatt zugeschrie­ben werden und nicht, wie zwischenze­itlich angenommen, dem Flamen Lodewijk Toeput. Geklärt ist auch, dass es sich bei einer vermeintli­chen Susanna um Psyche handelt. Außerdem wird eine bislang keinem Künstler zugeschrie­bene „Fußwaschun­g“nun als Werk des gerade 20-Jährigen eingestuft.

Über zwei Deckenbild­er aus Modena ist der Kurator besonders glücklich. „Das 16. Jahrhunder­t hat nichts Vergleichb­ares hervorgebr­acht“, lobt Krischel. Szenen aus Ovids „Metamorpho­sen“sind in extremer Untersicht gemalt, die Tintoretto­s Modernität belegten. Auch auf anderen Bildern wie dem „Emmaus-Mahl“oder „Christus unter den Schriftgel­ehrten“zeigt sich eine Dynamik, mit der der Maler die Bildfläche aufzuspren­gen scheint. Die Figuren springen den Betrachter­n förmlich entgegen. Ebenfalls neu war seinerzeit die einfühlsam­e Thematisie­rung der Frau. Ungewöhnli­ch, dass Tintoretto seine alttestame­ntarischen Szenen mit erotischen Untertönen versah. Für die Kirche wird er diese Bilder kaum gemalt haben.

Mit Männern beschäftig­te sich der Venezianer in ausdruckss­tarken Porträts – etwa vom Dogen Alvise Mocenigo. Ihr Zustandeko­mmen ist Ausdruck von Tintoretto­s erfolgreic­her Netzwerkar­beit. Wer eingehend Tintoretto­s Selbstport­rät (um 1547) betrachtet, wird einem Mann begegnen, der zwar mit einer großen Portion Selbstbewu­sstsein, aber auch mit gewisser Skepsis in die Welt blickt. Der nicht nur zu seiner Zeit als Schnellmal­er Geschmähte scheint noch nicht zu ahnen, dass er zu den bedeutends­ten Malern der Kunstgesch­ichte zählen wird.

Bis 28. Januar. Alle Infos unter: www. wallraf.museum; Katalog: Hirmer Verlag, 35 €.

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FOTO: MUSEO DEL DUOMO, MAILAND/WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM Von einer Dynamik, die die Bildfläche zu sprengen scheint: Jacopo Tintoretto­s im Wallraf-Richartz-Museum zu sehendes Gemälde „Christus unter den Schriftgel­ehrten“, um 1539 (1,97 x 3,19 Meter).
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OF ART/WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM ?? Selbstport­rät Tintoretto­s um 1547 (Öl auf Leinwand).
FOTO: © PHILADELPH­IA MUSEUM OF ART/WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM Selbstport­rät Tintoretto­s um 1547 (Öl auf Leinwand).

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