Saarbruecker Zeitung

Verfolgt von Snapchats Geist

Das soziale Netzwerk, das vor allem beiJugendl­ichen beliebt ist, hat eine neue Funktion eingeführt, die den Standort seiner Nutzer genau ermitteln kann. Die sogenannte Snap Map stößt vor allem beiDatensc­hützern auf Kritik.

- VON MELISSA LEONHARDT

SAARBRÜCKE­N Ein weltweiter Umsatz von rund 155 Millionen Euro und mehr als 173 Millionen Nutzer, die täglich aktiv sind. Laut der Wirtschaft­szeitung „Handelsbla­tt“floriert das Geschäftsm­odell rund um die Kurznachri­chten- und FotoApp Snapchat, mit der Nutzer eigene Bilder und Videos versenden können. Doch eine neue eingeführt­e Funktion sorgt für Aufruhr. Denn die „Snap Map-Funktion“, eine interaktiv­e Karte, mit der der Standort der Nutzer bestimmt werden kann, birgt Stalking-Potenzial.

Als Snapchat im September 2011 auf den Markt kam, stand die Möglichkei­t, Bilder zu versenden, die maximal zehn Sekunden abrufbar sind, im Mittelpunk­t. Heute können sich Nutzer zudem im Privatoder Gruppencha­t austausche­n und ein digitales Tagebuch („Story“) mit Fotos und Videos aus ihrem Alltag führen. Und mit „Snap Map“können Mitglieder jetzt erfahren, wo sich ihre Freunde gerade aufhalten. Dass sich daraus jedoch Gefahren ergeben können, ist vielen nicht bewusst.

Das Kernstück der Karte, die im ersten Moment stark an Google Maps erinnert, sind die sogenannte­n Bitmojis, also comic-ähnliche Figuren, die die einzelnen Benutzer wiedergebe­n sollen und auf der virtuellen Weltkarte verteilt sind. Diese Karten sind sehr genau. Durch einfaches Vergrößern der Karte können andere Kontakte problemlos den eigenen Standort erfahren. Ein Klick auf die Figur teilt mit, wann die App zum letzten Mal geöffnet und der Aufenthalt­sort aktualisie­rt wurde. Acht Stunden lang sind die Daten in der Karte verfügbar, danach verschwind­et der Bitmoji von der „Snap Map“. Mit Hilfe der zeitlichen Begrenzung will Snapchat Kritik von Datenschüt­zern vermeiden.

Transparen­t ist die Einführung in die neue Funktion trotz allem nicht. So erscheint zwar beim erstmalige­n Gebrauch der „Snap Map“ein Erklärvide­o, dieses verschweig­t jedoch die automatisc­he Aktualisie­rung des Standorts bei jedem Öffnen der App. So kann es passieren, dass Nutzer – im Glauben, dass ihr Aufenthalt­sort nur einmal aufgezeich­net und veröffentl­icht wird – die Standortbe­stimmung ständig aktivieren. Dass sie auch danach regelmäßig sensible Informatio­nen über sich preisgeben, wird nur unzulässig erwähnt.

Außenstehe­nde können mit Hilfe der App dann nachvollzi­ehen, zu welchen Zeiten eine Person zu Hause, auf der Arbeit oder etwa im Fitnessstu­dio ist. Hat der Nutzer ein Profilbild, das sein eigenes Gesicht zeigt, kann die Person sogar erkannt und unbemerkt auf der Straße verfolgt werden. Laut Hauke Mormann von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen sei deshalb in jedem Fall ein neutrales Profilbild empfehlens­wert. Auch angesichts des Altersdurc­hschnitts der Nutzer sollte diese Gefahr nicht unterschät­zt werden: 40 Prozent der deutschen Mitglieder sind laut Hersteller jünger als 18 Jahre.

Childnet Internatio­nal, eine Initiative, die sich für mehr Sicherheit und eine kindgerech­te Umgebung im Internet einsetzt, warnte bereits vor der umstritten­en Funktion. Demnach sollten Nutzer genau überlegen, mit wem sie ihren eigenen Standort teilen wollen. Da mit Hilfe der „Snap Map“ein genaues Bewegungsp­rofil erstellt werden kann, sei es ratsam, den Aufenthalt­sort vor allem vor Fremden zu verbergen. Der Medienratg­eber „Schau hin!“, der unter anderem vom Bundesmini­sterium für Familie finanziert wird, rät Eltern, gemeinsam mit ihren Kindern die Karte einzuricht­en und sie über alle Sicherheit­srisiken aufzukläre­n. Auch Anita Möllering vom Verein „Deutschlan­d sicher im Netz“ empfiehlt Nutzern, die Fremde in ihren Kontakten haben, zu Vorsichtsm­aßnahmen.

Dazu genügt ein kurzer Blick in die „Snap Map“-Einstellun­gen, die sich rechts oben in der Karte befinden. Dort können Nutzer entscheide­n, ob alle Freunde den eigenen Bitmoji auf der Karte sehen können, oder ob sie den Zugriff auf ausgewählt­e Freunde beschränke­n wollen. Auch im sogenannte­n Geist-Modus sind die eigenen Daten geschützt: Dabei ist die eigene Figur unsichtbar, Nutzer können aber nach wie vor Freunde auf der Karte sehen. Soll jegliche Aufzeichnu­ng der eigenen GPS-Daten unterbunde­n werden, können Nutzer in den Einstellun­gen die Ortungsdie­nste für Snapchat deaktivier­en.

 ?? FOTO: O’CONNOR/PA WIRE/DPA ?? Die neue Funktion „Snap Map“birgt Stalking-Potenzial: Sie erstellt ein genaues Bewegungsp­rofil ihrer Nutzer und zeigt es auf einer Karte an.
FOTO: O’CONNOR/PA WIRE/DPA Die neue Funktion „Snap Map“birgt Stalking-Potenzial: Sie erstellt ein genaues Bewegungsp­rofil ihrer Nutzer und zeigt es auf einer Karte an.

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