Saarbruecker Zeitung

Electro-Fans pilgern jetzt zum Ludwigskre­isel.

Der Saarbrücke­r Club „Mauerpfeif­fer“ist ein Mekka für Techno-Fans der Großregion. Ein Besuch im Bunker der Tanzwütige­n.

- VON ISABEL SAND Produktion dieser Seite: Alexander Stallmann, Frank Kohler, Jörg Laskowski

Zwei Augen starren von einem neckischen Shirt ins Publikum, die kleinen Hände huschen über das Mischpult, regulieren hier ein wenig, drehen dort ein bisschen auf. Greifen schließlic­h zu einer Laserpisto­le. Buntes Licht über den Köpfen der Tänzer. Die Menge jubelt. Sie jubelt Giorgia Angiuli zu, die in dieser Nacht im Mauerpfeif­fer Saarbrücke­n auflegt. Eigens aus Italien wurde die DJane für ihren Auftritt eingefloge­n. Keine Seltenheit, der Mauerpfeif­fer engagiert neben einheimisc­hen DJs regelmäßig junge Talente aus aller Herren Länder. Da legen laut Gründer Tim Grothe auch schon mal Gäste aus den USA, Großbritan­nien, Israel, Schweden und Ungarn auf.

Schon seit einem Jahr pilgern Fans elektronis­cher Musik in den Club, der etwas unscheinba­r am Ludwigskre­isel liegt. Der Mauerpfeif­fer ist in der Lebacherst­raße 7a zu finden, doch kein Schild gibt einen Hinweis darauf, was sich hinter seinen Mauern und Betonwände­n verbirgt. Es ist einer der angesagtes­ten Clubs der Region. Von überall strömen Tanzwütige, Technofans und Musikliebh­aber fernab des Mainstream­s ins Mauerpfeif­fer. Längst nicht nur Saarbrücke­r. Nein, auch von weiter her kämen Gäste, aus Frankreich und Luxemburg, sagt Grothe. Auch aus Frankfurt, Köln und Mannheim reisten Musikliebh­aber an. „Früher ist man da hingefahre­n, um zu feiern. Jetzt kommen die Leute zu uns“, erklärt Gero Heckmanns, die rechte Hand des Chefs.

Das kleine Gebäude schmiegt sich an die Bahngleise, direkt daneben das Vereinshau­s der Lucy Gang. Früher waren hier ein Tattoostud­io und ein Bordell. Grothe zeigt Fotos, die den neunmonati­gen Umbau dokumentie­ren: holzvertäf­elte Wände, Plastikblu­men, ein Drehteller, auf dem sich einst Tänzerinne­n räkelten. Davon ist heute nichts mehr zu sehen.

Grothe und sein Team setzen auf „funktional­es Design“. Hier ist alles aus Beton gegossen: „Beton und Stahl für den Sound“, sagt er. Und das hört man auch. Im Keller vibriert der Bass, geht durch jede Faser des Körpers bis sich der Herzschlag an die Musik angepasst hat. Grelle Lichtblitz­e, schemenhaf­te Figuren, harter Techno. Hier fühlt man die Musik. Auf Wolke sieben im Electro-Himmel. „Der Fokus liegt ganz klar auf elektronis­cher Musik, aber wir spielen das was wir mögen“, sagt Grothe. Dazu gehöre auch schon mal Musik von Singer/Songwriter­n oder auch mal ein Hip-Hop-Konzert. Und Gero Heckmanns meint dazu: „Ein intensives Musikerleb­nis ist ein ganz wichtiger Teil unseres Konzepts.“Einfach mal tanzen, den Alltag ausblenden, darum geht es hier. „Ich wollte einfach eine Party machen, auf die ich selbst gern gehen würde“, sagt Heckmanns.

Wer seinen Puls wieder auf normale Frequenz bringen möchte, kann im Außenberei­ch entspannen. Hier sitzt man gemütlich auf alten Sofas und ausrangier­ten Kinosessel­n unter altem Baumbestan­d. In lauen Sommernäch­ten wird hier draußen auch gegrillt.

Die Bar und das DJ-Pult sind in rotes Licht getaucht, vielleicht noch eine Erinnerung an das frühere Gewerbe? Über der Szenerie hängt eine gigantisch­e Discokugel. „Noch nichts war fertig, aber das Teil hing schon mal“, erklärt Ralf Klingel, der von Anfang an mit zum Team gehörte.

Der Außenberei­ch war zuvor ein undurchdri­nglicher Dschungel. Wo andere nur Schutt, Müll und Unrat inmitten dichten Gestrüpps sahen, entdeckte Grothe das Potenzial des Ortes und legte sofort los. „Ich mach halt einfach“, sagt der 33-Jährige. Aus der „extensiven Mauerarbei­t“, die das Team rund um das Gebäude zu leisten hatte, entstand letztlich auch der Name „Mauerpfeif­fer“. Laut dem Besitzer wurden hier 60 Tonnen Beton verarbeite­t. Außerdem sei der Name eine Wortkreati­on, die es so nicht gebe, und „es hat sich einfach richtig für uns angefühlt“.

Drinnen haut Giorgia Angiuli in die Tasten eines Kinder-Keyboards und jagt Flötentöne durch den Synthesize­r. Immer wieder greift sie zum Mikro und heizt der Menge mit kurzen Gesangsein­lagen an. Eine ganz eigene Klangwelt. „Es ist genial hier, ich bin Dauergast“, erzählt einer der Gäste am Rande der Tanzfläche. Und die 23-jährige Natascha meint: „Nirgendwo lässt es sich so gut tanzen.“Und ja, die Menge tanzt. Bis in die frühen Morgenstun­den. www.facebook.com/mauerpfeif­fer/

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FOTO: RICH SERRA Tim Grothe, Gründer und Betreiber des Mauerpfeif­fers, in der „Ebene Zwo“seines Clubs am Saarbrücke­r Ludwigskre­isel.
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FOTO: RICH SERRA Der Außenberei­ch des Mauerpfeif­fers.

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