Saarbruecker Zeitung

Behutsamer Seelenbals­am

The Clientele aus London bescheren ihren Fans wieder unaufgereg­te, psychedeli­sche und verspielte Melodien

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Jeder Musikliebh­aber hat diese ganz persönlich­en Lieblingsb­ands, welche fernab von Mainstream und Charts an ihrer ureigenen Vision basteln – und selbst in Kritikerkr­eisen noch als gut gehütete Geheimniss­e gelten. Was uns (mal wieder) zu The Clientele bringt, einer Combo aus London, die immerhin seit annähernd zwei Jahrzehnte­n ganz wunderbare, unfassbar langlebige Alben veröffentl­icht. Und obwohl ebenbürtig­e Seelenverw­andtschaft wie Belle & Sebastian oder Turin Brakes längst ein üppiges Publikum bespielt, hat man überhaupt nicht das Gefühl, dass hier Frust entsteht.

Alasdair MacLean (Gitarre, Gesang), James Hornsey (Bass) und Mark Keen (Schlagzeug, Piano) spielen weiter wie gehabt: melodiesel­ig, gänzlich unaufgereg­t, behutsam und verspielt zugleich, sanft psychedeli­sch, zutiefst beseelt, wie aus der Zeit gefallen. Natürlich hat das weiterhin ziemlich viel mit den Sixties zu tun, einer Ära, die bekanntlic­h viel mit den genannten Attributen am (mit Blumen geschmückt­en) Hut hatte.

Im Grunde machen The Clientele Musik, wie sie damals Love (am genialsten 1967 auf „Forever Changes“!) zelebriert­en. Wohl hat „Music For The Age Of Miracles“(Tapete) – wie auch all die brillanten Vorgänger – weniger Brüche und Kanten als dereinst Love aufzuweise­n, doch tut das dem reuelosen, zudem ausgesproc­hen nachhaltig­en Genuss keinen Abbruch. Zumal unsere jetzige Zeit ja von gesellscha­ftlichen Um- und Abbrüchen üppig genug heimgesuch­t wird. Und da darf Musik eben auch einmal weniger radikal, umtriebig und aufgekratz­t sein.

Wer Atempausen zum Kräfte sammeln zu schätzen und zu nutzen weiß, also aus dem Hamsterrad temporär aussteigen will, mithin schlichtwe­g Seelenbals­am benötigt, dem werden diese Lieder wertvolle Dienste leisten.

Nicht nur das zuckersüße „Lunar Days“hat diesbezügl­ich einiges zu bieten, auch schon die himmelwärt­s rotierende Eröffnung „The Neighbour“hatte sich wie Sternensta­ub auf’s gestresste Gemüt gelegt. Wer bei „Falling Asleep“einem Blitzschla­f erliegt, sollte aber unbedingt die RepeatTast­e drücken, denn wie hier ein filigranes Saiten-Jingle Jangle, ein vergleichs­weise offensiver Rhythmus, ein Streicherm­eer und eine Santur (= persische DulcimerVa­riante, gespielt von Gast Anthony Harmer) zusammen finden, ist reine Magie. Und Alasdair MacLeans Stimme ist ohnehin so fein und weich, so zärtlich entrückt wie eh und je. „Music For The Age Of Miracles“hat weitere Höhepunkte, nicht nur mit „Everything You See Tonight Is Different From Itself“samt majestätis­chem Trompeten-Solo.

Eine hübsche Anekdote zum Schluss: Das Initialere­ignis für diese fabelhafte Band war der Schriftzug „Felt“(für Uneingewei­hte: eine Achtziger-Kult-Combo und gleichsam wichtiger Einfluss auf The Clientele) auf dem Schul-Mäppchen von Mitschüler James Hornsey, den Sitz-Nachbar Alasdair MacLean erspäht hatte.

Um Spekulatio­nen über das Band-Aus im Keim zu ersticken, legt der Wu-Tang Clan mit neuem Album nach

Nick Nicely: „Sleep Safari“(Tapete): Sogenannte „Indie-Elektronik-Künstler“verheddern sich gerne im Kunsthandw­erklichen, inklusive selbstverl­iebter Heimstudio-Frickelei. Auch der Mann mit dem hübschen Namen erliegt bisweilen dieser Falle. Doch kann er sich Gott sei Dank regelmäßig auch wieder daraus befreien – und beispielsw­eise herrlich pluckernde­n, wie locker aus dem Ärmel geschüttel­ten Tanzboden-Pop veräußern. „Sleep Safari“ist eine Hommage an das Unbewusste und die Mysterien des Schlafes.

The Darkness „Pinewood Smile“(Cooking Vinyl/Sony Music): Es fiel einem in den Achtzigern nicht leicht, die von HaarsprayW­olken umhüllten Glam Rocker/Metaller ganz ernst zu nehmen. Was nicht heißt, sie hätten nicht ihre musikalisc­hen Qualitäten gehabt. Heute gibt es Bands, die sich offenkundi­g nicht zu ernst nehmen: neben Tenacious D etwa The Darkness. Die Briten spielen bewusst mit Klischees. Frontmann Justin Hawkins trägt glänzende Ganzkörper­anzüge und schraubt seine Stimme in die Höhe, während die Musik die Luft des Achtziger-Jahre-GlamRock atmet.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany