Behutsamer Seelenbalsam
The Clientele aus London bescheren ihren Fans wieder unaufgeregte, psychedelische und verspielte Melodien
Jeder Musikliebhaber hat diese ganz persönlichen Lieblingsbands, welche fernab von Mainstream und Charts an ihrer ureigenen Vision basteln – und selbst in Kritikerkreisen noch als gut gehütete Geheimnisse gelten. Was uns (mal wieder) zu The Clientele bringt, einer Combo aus London, die immerhin seit annähernd zwei Jahrzehnten ganz wunderbare, unfassbar langlebige Alben veröffentlicht. Und obwohl ebenbürtige Seelenverwandtschaft wie Belle & Sebastian oder Turin Brakes längst ein üppiges Publikum bespielt, hat man überhaupt nicht das Gefühl, dass hier Frust entsteht.
Alasdair MacLean (Gitarre, Gesang), James Hornsey (Bass) und Mark Keen (Schlagzeug, Piano) spielen weiter wie gehabt: melodieselig, gänzlich unaufgeregt, behutsam und verspielt zugleich, sanft psychedelisch, zutiefst beseelt, wie aus der Zeit gefallen. Natürlich hat das weiterhin ziemlich viel mit den Sixties zu tun, einer Ära, die bekanntlich viel mit den genannten Attributen am (mit Blumen geschmückten) Hut hatte.
Im Grunde machen The Clientele Musik, wie sie damals Love (am genialsten 1967 auf „Forever Changes“!) zelebrierten. Wohl hat „Music For The Age Of Miracles“(Tapete) – wie auch all die brillanten Vorgänger – weniger Brüche und Kanten als dereinst Love aufzuweisen, doch tut das dem reuelosen, zudem ausgesprochen nachhaltigen Genuss keinen Abbruch. Zumal unsere jetzige Zeit ja von gesellschaftlichen Um- und Abbrüchen üppig genug heimgesucht wird. Und da darf Musik eben auch einmal weniger radikal, umtriebig und aufgekratzt sein.
Wer Atempausen zum Kräfte sammeln zu schätzen und zu nutzen weiß, also aus dem Hamsterrad temporär aussteigen will, mithin schlichtweg Seelenbalsam benötigt, dem werden diese Lieder wertvolle Dienste leisten.
Nicht nur das zuckersüße „Lunar Days“hat diesbezüglich einiges zu bieten, auch schon die himmelwärts rotierende Eröffnung „The Neighbour“hatte sich wie Sternenstaub auf’s gestresste Gemüt gelegt. Wer bei „Falling Asleep“einem Blitzschlaf erliegt, sollte aber unbedingt die RepeatTaste drücken, denn wie hier ein filigranes Saiten-Jingle Jangle, ein vergleichsweise offensiver Rhythmus, ein Streichermeer und eine Santur (= persische DulcimerVariante, gespielt von Gast Anthony Harmer) zusammen finden, ist reine Magie. Und Alasdair MacLeans Stimme ist ohnehin so fein und weich, so zärtlich entrückt wie eh und je. „Music For The Age Of Miracles“hat weitere Höhepunkte, nicht nur mit „Everything You See Tonight Is Different From Itself“samt majestätischem Trompeten-Solo.
Eine hübsche Anekdote zum Schluss: Das Initialereignis für diese fabelhafte Band war der Schriftzug „Felt“(für Uneingeweihte: eine Achtziger-Kult-Combo und gleichsam wichtiger Einfluss auf The Clientele) auf dem Schul-Mäppchen von Mitschüler James Hornsey, den Sitz-Nachbar Alasdair MacLean erspäht hatte.
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Nick Nicely: „Sleep Safari“(Tapete): Sogenannte „Indie-Elektronik-Künstler“verheddern sich gerne im Kunsthandwerklichen, inklusive selbstverliebter Heimstudio-Frickelei. Auch der Mann mit dem hübschen Namen erliegt bisweilen dieser Falle. Doch kann er sich Gott sei Dank regelmäßig auch wieder daraus befreien – und beispielsweise herrlich pluckernden, wie locker aus dem Ärmel geschüttelten Tanzboden-Pop veräußern. „Sleep Safari“ist eine Hommage an das Unbewusste und die Mysterien des Schlafes.
The Darkness „Pinewood Smile“(Cooking Vinyl/Sony Music): Es fiel einem in den Achtzigern nicht leicht, die von HaarsprayWolken umhüllten Glam Rocker/Metaller ganz ernst zu nehmen. Was nicht heißt, sie hätten nicht ihre musikalischen Qualitäten gehabt. Heute gibt es Bands, die sich offenkundig nicht zu ernst nehmen: neben Tenacious D etwa The Darkness. Die Briten spielen bewusst mit Klischees. Frontmann Justin Hawkins trägt glänzende Ganzkörperanzüge und schraubt seine Stimme in die Höhe, während die Musik die Luft des Achtziger-Jahre-GlamRock atmet.