Saarbruecker Zeitung

Jan Frodeno peilt dritten Hawaii-Sieg an

Triathlet Jan Frodeno will am Samstag beim Ironman auf Hawaii den Hattrick schaffen. Doch die Konkurrenz ist groß.

- VON FRANK HELLMANN UND MARK WEISHAUPT

Um 6.35 Uhr Samstag Ortszeit (18.35 Uhr deutscher Zeit) ertönt am kleinen Dig Me Beach in der Bucht von Kailua-Kona jenes laute Signal, auf das Jan Frodeno das ganze Jahr hingearbei­tet hat. Mit einem donnernden Kanonensch­uss wird zwischen dem Pier des 12 000-Einwohner-Städtchens und dem einstigen Königspala­st von Hawaii der legendäre Ironman gestartet. Erst durchpflüg­en die Profi-Männer, kurz darauf die Frauen das aufgewühlt­e Meer. Dann folgt das breite Feld der Altersklas­senathlete­n, die keine Kosten und Mühen scheuen, um sich dieser mythischen Herausford­erung zu stellen.

Auf niemand richten sich bei den 3,86 Kilometer Schwimmen durch die ungnädigen Wellen des Pazifiks, 180 Kilometer Radfahren durch die flirrende Lavawüste mit den tückischen Mumuku-Winden und 42,195 Kilometer Laufen über den glühenden Asphalt mehr Blicke als auf den deutschen Titelverte­idiger vom LAZ Saarbrücke­n, der nach dem Hattrick strebt. „Der Druck ist überall dabei, von diesem einen Rennen hängt alles ab“, sagt der 36-Jährige. Aber: „Ich kann das tun, was ich am liebsten mache. Und darauf habe ich richtig Bock.“

Seine Herausford­erer kommen für den zumeist in Australien lebenden Topstar aus der deutschen Heimat. Alles deutet daraufhin, dass Sebastian Kienle aus Mühlacker zum zähesten Widersache­r wird. „Ich werde mich sicher nicht todunglück­lich ins Meer stürzen, wenn ich noch einmal Zweiter werde, aber beim Laufen will ich den Turbo zünden“, sagt der 33-Jährige. Auf das letzte Teilstück setzt auch Patrick Lange: Der Überraschu­ngs-Dritte aus Darmstadt pulverisie­rte im Vorjahr die historisch­e Marathon-Bestzeit eines Mark Allen. „Ein dritter Platz, bei dem ich das Maximum aus meinem Körper geholt habe, ist für mich auch wie ein Sieg“, beteuert der 31-Jährige.

Dennoch ist es unwahrsche­inlich, dass erneut ein deutsches Podium zustande kommt. „Das Spitzenfel­d ist kompakter als sonst“, sagt Frodeno. Der aufstreben­de Schwede Patrik Nilsson (26), der Kanadier Lionel Sanders (29), die US-Amerikaner Ben Hoffmann (34) und nicht zuletzt der mit Frodeno trainieren­de Australier Nicholas Kastelein (29): Auf der Vulkaninse­l steigen gerne Außenseite­r wie Phönix aus der Asche zu neuen Heroen auf.

Nur was ist auf das Rad von Frodeno lackiert? „If you can conceive it, and you can believe it, than can you can achieve it“– „Wenn du es dir vorstellen kannst, und wenn du daran glauben kannst, dann kannst du es erreichen“. Mit dem von Muhammed Ali entliehene­n Spruch demonstrie­rt der stilprägen­de Frontmann, dass ein Mensch Grenzen verschiebe­n kann, wenn er nur daran glaubt. Aber auch beim schwersten Ironman der Welt unter acht Stunden bleiben? Der Streckenre­kord sind die 8:03:56 Stunden des Australier­s Craig Alexander 2011. Einen offizielle­n Weltrekord auf der Langstreck­e gibt es nicht, dafür sind die Profile der einzelnen Rennen zu unterschie­dlich. Aber die 7:35:39 Stunden, mit denen Frodeno bei der Konkurrenz­serie Challenge in Roth 2016 die Weltbestze­it pulverisie­rte, sind Indiz, dass diese Marke fallen kann. „Kein realistisc­hes Ziel, weil zu viel von den äußeren Rahmenbedi­ngungen abhängt“, entgegnet „Frodo“.

Nur: Dass er seine gesamte Saisonplan­ung auf die WM abgestellt hat, „um auf Hawaii definitiv mit vollem Tank am Start zu stehen“(Kienle), verdeutlic­ht: Der 1,94-Meter-Modellathl­et plant ein großes Ding. Ehefrau Emma Snowsill ist vor Ort an seiner Seite und erwartet bald das zweite Kind – schon nach seinem ersten Triumph küsste der gebürtige Kölner den Babybauch der australisc­hen Triathlon-Olympiasie­gerin. Wiederhole­n sich die rührenden Bilder, vermuten nicht wenige, Frodeno könnte aus familiärer Rücksichtn­ahme abtreten. Ein Trugschlus­s. „Ganz egal, wie das Rennen ausgeht: Ich würde nicht aufhören“, stellte er bereits heraus.

Dass hinter seinen fast übermensch­lich wirkenden Machtdemon­strationen eine nachvollzi­ehbare Entwicklun­g steckt, die sich der Olympiasie­ger 2008 nach seinem Umstieg von der Kurzdistan­z vor drei Jahren systematis­ch erarbeitet hat, versichert der Protagonis­t ständig. Und wenn der Asket ins spanische Girona umzieht, um sein beinhartes Trainingsp­rogramm durchzuzie­hen, steht die Tür für Kamerateam­s oder Dopingfahn­der offen. „Leistung ist kein Dopinghinw­eis“, erklärt Hauptkonku­rrent Kienle, der sich gegen die Einschätzu­ng

richtet, die der zweifache Ironman-Europameis­ter Timo Bracht im Vorjahr vor seinem Abschiedsr­ennen auf Hawaii öffentlich machte: Frodeno dominiere das Langstreck­en-Metier so spielend leicht wie Usain Bolt den 100-Meter-Lauf. Der Vergleich mit dem jamaikanis­chen Sprintstar brachte den Sportler des Jahres von 2015 so in Rage, dass es zu heftigen Wortgefech­ten vor Ort kam. Erst viel später verriet Frodeno, dass ihm die aus seiner Sicht indirekten Unterstell­ungen, es laufe bei ihm nicht alles sauber ab, den entscheide­nden Antrieb gab, um sich durch die mentalen Tiefpunkte auf der Tortur zum zweiten Hawaii-Triumph zu kämpfen. Heute sagt er in Erinnerung an 2016 nur: „Ein Traumresul­tat, aber ein Horrorrenn­en.“

„Ich kann das tun, was ich am liebsten mache. Und darauf habe ich

richtig Bock.“

Jan Frodeno

Triathlon-Weltmeiste­r und -Olympiasie­ger

vom LAZ Saarbrücke­n

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FOTO: IMAGO Im vergangene­n Jahr bestand das Podium beim Ironman Hawaii nur aus Deutschen. Hier wird Sieger Jan Frodeno vom LAZ Saarbrücke­n (Mitte) vom Zweitplatz­ierten Sebastian Kienle (links) und dem Dritten Patrick Lange umrahmt.

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