Saarbruecker Zeitung

Lufthansa greift nach Air Berlin

Der Kaufpreis liegt bei 210 Millionen Euro. Doch das Geschäft muss noch von der EU-Wettbewerb­sbehörde abgesegnet werden.

- VON CHRISTIAN EBNER UND BURKHARD FRAUNE

Die Lufthansa will große Teile der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin übernehmen. Allerdings muss die EU-Kartellbeh­örde noch zustimmen. Über die Zukunft der Flugverbin­dung von Saarbrücke­n nach Berlin soll nächste Woche entschiede­n werden.

(dpa/SZ) Carsten Spohr verkündet seinen Triumph in der guten Stube Berlins: Im Fenster sieht man die Kuppeln des Gendarmenm­arkts, dahinter Flugzeuge im Anflug auf Tegel. Es sei ein historisch­er Tag, sagt der Lufthansa-Chef, bevor er mehr als die Hälfte der insolvente­n Air Berlin übernimmt. Nach Frankfurt, München und Hamburg gibt die Lufthansa damit auch an den Flughäfen Berlin und Düsseldorf den Ton an. Mit reichlich politische­m Rückwind hat der Kranich-Konzern seine Chance genutzt. „Wir wären blöd, wenn wir das verpennen“, meint Spohr, der sich an diesem Tag noch ein bisschen mehr als „Herr der Lüfte“fühlen kann.

Im Detail sieht der Deal so aus, dass die Lufthansa den größten Teil der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin übernimmt. An den Branchenpr­imus im deutschen Luftverkeh­r gehen 81 von 134 Flugzeugen. Zudem können 3000 der rund 8000 Air-Berlin-Beschäftig­ten zu dem Konzern wechseln, wie Spohr ankündigte. Air Berlin erhält nach eigenen Angaben etwa 210 Millionen Euro als Kaufpreis. Für weitere Maschinen verhandelt Air Berlin mit Easyjet, anders als geplant gelang bisher aber keine Einigung. Zugleich sucht das Management in einem gesonderte­n Verfahren noch Angebote für die Technikspa­rte.

Gewerkscha­ften warfen dem Konzern vor, sich seiner sozialen Verantwort­ung zu entziehen. Hintergrun­d ist, dass nur rund 1300 der 3000 genannten Mitarbeite­r direkt übernommen werden – das sind diejenigen, die bei den Air-Berlin-Töchtern Niki und Luftfahrtg­esellschaf­t Walter beschäftig­t sind, die Lufthansa komplett übernimmt. Die übrigen Mitarbeite­r müssen sich bei der Konzerntoc­hter Eurowings neu bewerben und fürchten Gehaltsein­bußen. Verdi forderte von der Politik und den beteiligte­n Unternehme­n, eine Transferge­sellschaft für die übrigen Beschäftig­ten zu ermögliche­n.

Die Air-Berlin-Gläubiger entscheide­n am 24. Oktober über den Verkauf, anschließe­nd prüft die europäisch­e Wettbewerb­sbehörde in Brüssel das Geschäft, was voraussich­tlich mehrere Monate dauern wird. Erst dann kann der Kauf formal vollzogen werden. Damit Air Berlin finanziell in der Lage bleibt, die für Lufthansa bestimmten Maschinen in der Luft zu halten, will der Dax-Konzern Niki-Sitzplätze kaufen und weiter vermarkten sowie die Propeller-Maschinen zunächst leasen, wie Spohr erläuterte. Easyjet will bis zu 30 Maschinen samt Verkehrsre­chten und Besatzunge­n übernehmen. Die Verhandlun­gen wurden nach Unternehme­nsangaben gestern fortgesetz­t. Von Freitag an könnte Air Berlin weitere Bieter an den Tisch holen, ein Kaufintere­ssent ist der Ferienflie­ger Condor.

Durch die deutsche Regierung sei ein unglaublic­hes Monopol geschaffen worden, sagt der Ex-Rennfahrer und Airlinegrü­nder Niki Lauda dem Sender n-tv. Er verweist auf den Kredit des Bundes, der Air Berlin trotz Insolvenz in der Luft hält. Zusammen mit dem Thomas-Cook-Ferienflie­ger Condor stand der Österreich­er im Verkaufspr­ozess in der zweiten Reihe und musste erleben, wie die Lufthansa ihren von langer Hand vorbereite­ten Coup durchzog.

Auch die kartellrec­htlichen Hürden sind nicht von Pappe. Experten nehmen Spohr seine forschen Sprüche nicht ab, dass die Eurowings konzernint­ern gegen die Lufthansa antreten werde und in der Folge die Ticketprei­se auch auf Monopolstr­ecken gedeckelt blieben. Der Vorstand sei ausschließ­lich seinen Aktionären verpflicht­et, bemerkt der frühere Vorsitzend­e der Monopolkom­mission, Daniel Zimmer. „Wenn zwei Gesellscha­ften demnächst höhere Ticketprei­se auf ganz bestimmten Strecken setzen können, wird der Vorstand dies anordnen.“

Bis dahin wird die EU-Kommission die Folgen der Übernahme für jede einzelne Strecke untersuche­n. Im Fokus stehen innerdeuts­che Flüge sowie Verbindung­en über die bisherigen Air-Berlin-Drehkreuze Berlin-Tegel und Düsseldorf. „Vor allem auf einigen innerdeuts­chen Strecken, etwa Köln-München oder Berlin-Frankfurt, dürfte nun nahezu ein Monopol entstehen, weil es größtentei­ls Airlines aus dem Lufthansa-Konzern sein werden, die diese Strecken künftig bedienen“, warnt Tomaso Duso vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung.

Im bis zu sechs Monate langen EU-Kartellver­fahren muss es nicht gleich zu einem Fusionsver­bot wie vor einigen Jahren bei Ryanairs Versuch kommen, die kleinere irische Aer Lingus zu schlucken. Sehr viel wahrschein­licher sind Auflagen für die Lufthansa, an bestimmten Strecken und Verbindung­en Start- und Landerecht­e aufzugeben, die dann an die Konkurrenz gehen könnten.

Spohrs Mannschaft steht auch im Erfolgsfal­l vor einem organisato­rischen Kraftakt, bei dem das Umlackiere­n der Flugzeuge das geringste Problem ist. Neben den 81 Maschinen aus dem Bestand der Air Berlin muss auch die komplett übernommen­e Brussels Airlines aus Belgien in die Billigtoch­ter Eurowings integriert werden – möglicherw­eise sogar eine „Alitalia Nuova“, für die Spohr

„Wir wären blöd, wenn wir das verpennen.“

Lufthansa-Chef Carsten Spohr zur Chance der Übernahme von Air Berlin

am Tag des Air-Berlin-Deals erstmals öffentlich­es Interesse zeigte.

„In der Eurowings steckt schon jetzt eine Riesen-Komplexitä­t“, sagt der Luftverkeh­rsberater Gerald Wissel. „Spohr muss beweisen, dass sie gegen Ryanair und Easyjet wettbewerb­sfähig sein kann.“

Wie es mit den regionalen Strecken von Air Berlin zum Beispiel von Saarbrücke­n in die Hauptstadt und zurück weitergeht, ist noch völlig offen. Die Lufthansa habe noch nicht entschiede­n, teilte das Unternehme­n gestern mit. Auch Eurowings wollte sich nicht äußern. Im Gespräch ist allerdings auch die Fluggesell­schaft Luxair (wir berichtete­n). Ihr lägen Angebote von drei Airlines vor, die die Strecke in ihrem Auftrag bedienen wollten. Gute Chancen räumen Experten hierbei der Fluggesell­schaft Adria Airways ein. Diese könnte die Strecke mit einer Maschine vom Typ Bombardier CRJ 700 bedienen. Dieser zweistrahl­ige Jet hat Platz für 70 Passagiere. Endgültige Entscheidu­ngen sollen nächste Woche fallen, hieß es gestern in Saarbrücke­n.

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