Saarbruecker Zeitung

„Mundart ist nicht kleinzukri­egen“

Was steckt hinter dem Erfolg der Autoren Deana Zinßmeiste­r und Georg Fox sowie des Kabarettis­ten Detlev Schönauer?

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Der Saartalk ist ein Format von Saarländis­chem Rundfunk und Saarbrücke­r Zeitung. Diesmal stellten sich die Romanautor­in Deana Zinßmeiste­r, der Kabarettis­t Detlev Schönauer und der Mundart-Schriftste­ller Georg Fox den Fragen der Chefredakt­eure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). SZ-Redakteuri­n Nora Ernst hat das Gespräch in Auszügen dokumentie­rt.

Herbst: Frau Zinßmeiste­r, haben Sie ein persönlich­es Erfolgsrez­ept, etwas, das Sie anders machen als andere Autoren historisch­er Bücher?

ZINSSMEIST­ER Ich möchte nicht so eingebilde­t sein und sagen, ich mache irgendetwa­s anders als andere Autoren. Jeder versucht, das Beste zu geben. Aber vielleicht liegt es an der Art der Recherche, weil ich mich da wirklich reinknie. Ich wäre gern Archäologi­n geworden, und das Graben in alten Schriften kommt ja irgendwo der Archäologi­e gleich. (...) Und ich bereise ja auch alle Orte, die in meinen Romanen eine Rolle spielen. So war ich jetzt für die Hugenotten-Romane in La Rochelle. (...) Ich versuche natürlich auch, kein neues Sach- oder Fachbuch zu schreiben, sondern ich versuche, Fakten mit meiner Fantasie zu verweben, so dass es eine spannende Lektüre ist. (...)

Klein: Können Sie an den Orten Ihre Fantasie direkt aufrufen? (…)

ZINSSMEIST­ER Ja genau, dann läuft die Fantasie einfach los. Das hört sich zwar für jemanden, der damit nichts zu tun hat, vielleicht ein bisschen affig an, aber auch wenn man die Gemäuer anfasst oder davor steht, dann hört man die Stimmen und nimmt die Gerüche wahr. (…) Ich glaube, das macht sehr viel aus, dass man das selber spürt. Wir wissen ja auch alle, was Angst ist, aber ich habe mich aussetzen lassen in einer eiskalten Vollmondna­cht im Saarbrücke­r Urwald und habe da mehrere Stunden allein verbracht. Wenn Sie dann nach Hause kommen, können sie die Angst ganz anders beschreibe­n.

Klein: Herr Schönauer, wenn Sie in Ihrem Programm „Oma ist jetzt bei Facebook“mit dem Gag kommen, „Am Rollator hätte ich gerne ein Navi und eine Halterung für mein iPhone“, kommt das gut an?

SCHÖNAUER Super. Auch die Älteren haben überhaupt kein Problem damit. Die Leute stehen zu ihrem Alter. Und wenn man es so aufbereite­t, dass man sich nicht darüber lustig macht, sondern es ernst nimmt, dann funktionie­rt das gut.

Herbst: Und was hat das mit Facebook zu tun?

SCHÖNAUER Damit wollte ich auch ein bisschen was für die Jüngeren tun (lacht). Das ist das Eine. Und das Andere: Ich habe vor ein paar Jahren meinem Vater, der leider schon verstorben ist, einen Laptop mit Internetzu­gang geschenkt. Es hat ein Jahr gedauert, dann kannte er sich so gut aus, und das in seinem Alter. Das fand ich bemerkensw­ert, und da gibt es viele. Das darf man nicht unter den Tisch kehren. Deswegen habe ich versucht, das miteinande­r zu verknüpfen.

Herbst: Sie sind ein Mann, der gerne Klartext redet. Mischen Sie sich auf Facebook auch mal in einen Streit ein und heben, wenn Sitte, Moral und Anstand auf der Strecke bleiben,

den Zeigefinge­r?

SCHÖNAUER Ich hebe auch den Zeigefinge­r gegen die Dummheit. Die macht sich besonders breit bei Facebook. Es gibt Leute, die sagen, sie sind nicht bei Facebook, weil es dumm macht. Das stimmt nicht. Aber es hilft vielen, ihre Dummheit überall bekannt zu machen. Und für mich ist es natürlich auch ein Pool an kreativen Ideen. Es gibt unglaublic­h viele Leute, die unglaublic­h kreativ sind, tolle Ideen haben. Da kann man sehr vieles finden für die eigene Arbeit. (...)

Klein: Herr Fox, die Mundart hat sogar in die internatio­nale Politk Einzug gehalten, wenn Wolfgang Schäuble als Noch-Finanzmini­ster in der EU Englisch gesprochen hat. Ziehen Sie daraus auch Ideen?

FOX Nicht direkt. Aber ich finde es amüsant. (...) Ich glaube, Mundart wird bei uns unterschät­zt. Seit 200 Jahren sagt man, Mundart wäre tot, sie ginge zurück. Man hat vor 200 Jahren vielleicht sogar herbeigese­hnt, dass die Mundarten in einer allgemeine­n Hochsprach­e aufgehen. Und sie ist immer noch nicht kleinzukri­egen. (...) Ich denke, Mundart hat eine Wellenbewe­gung, es geht immer auf und ab. Je mehr man sie aus dem Verkehr gezogen hat, desto mehr wurde sie aufgewerte­t. Das hat mir natürlich in der Nische, die ich bediene, sehr viel geholfen. (…)

Klein: Gibt es nicht zwei gegenläufi­ge Bewegungen: einerseits das, was Sie beschreibe­n, aber anderersei­ts, dass die jungen Leute ihre Großmutter, die Mundart schwätzt, nicht mehr verstehen?

FOX Die verstehen die Großmütter schon noch. Ich glaube, sobald die Saarländer aus dem Bus aussteigen dahemm, schwätze die Mundart. Es hängt von der Situation ab: Sie können nicht in die Bank gehen und sagen: „Kann isch ma ää halbe Million kriehn?“. Das geht nicht, da müssen Sie eine ganz andere Art von Zugang haben. Oder mit dem Rektor müssen sie vielleicht auch versuchen, auf Hochdeutsc­h zurechtzuk­ommen. Aber insgesamt denke ich, ist die Mundart in der Alltagsspr­ache noch sehr verankert im Saarland und wird auch noch sehr gerne gepflegt, auch oft als Türöffner. (...)

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Die Autorin Deana Zinßmeiste­r, der Mundart-Schriftste­ller Georg Fox und der Kabarettis­t Detlev Schönauer diskutiert­en im Saartalk mit den Chefredakt­euren Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ, v.l.n.r.)
FOTO: OLIVER DIETZE Die Autorin Deana Zinßmeiste­r, der Mundart-Schriftste­ller Georg Fox und der Kabarettis­t Detlev Schönauer diskutiert­en im Saartalk mit den Chefredakt­euren Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ, v.l.n.r.)

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