Saarbruecker Zeitung

Streit bei saarländis­chen Linken eskaliert

Der Bundestags­abgeordnet­e Thomas Lutze sieht keine Zukunft mehr für Astrid Schramm an der Parteispit­ze. Wer wird Vorsitzend­er?

- VON DANIEL KIRCH

Mehrere Wochen vor der Neuwahl des Linken-Landesvors­tands spitzt sich der innerparte­iliche Machtkampf zu. Der Bundestags­abgeordnet­e Thomas Lutze geht hart mit der jetzigen Führung ins Gericht und sieht für Landeschef­in Astrid Schramm keine Zukunft mehr an der Parteispit­ze. „Ich glaube nicht, dass sie zurzeit eine Mehrheit hat“, sagte er der SZ. „Der Landesvors­tand braucht eine komplette Neuausrich­tung, die ganz oben anfangen muss.“In den vergangene­n zwei Jahren sei der Vorstand komplett

Thomas Lutze unpolitisc­h geworden. „Er streitet sich tagelang darüber, in welchem Ort wir den Landespart­eitag machen oder wer beim Sommerfest wann am Kuchenstan­d steht.“

Der Landesvors­tand wird am 25. November neu gewählt. Schramm bestätigte auf SZ-Anfrage, dass sie gerne als Landesvors­itzende weitermach­en würde. „Die Parteiarbe­it macht mir Spaß“, sagte sie. Allerdings knüpfte sie dies an eine Bedingung: „Das ist abhängig davon, wer mit dabei ist. Ich möchte nicht mehr mit jedem zusammenar­beiten“, sagte sie. Im vergangene­n Jahr habe sich herauskris­tallisiert, dass es gewissen Leuten „nur noch um eigene Interessen“gehe. Namen nannte sie auf Nachfrage nicht, doch dass Schramm damit ihren Kontrahent­en Thomas Lutze meinte, wird niemand in der Partei ernsthaft bestreiten.

Lutze sagte, er werde Schramm nicht wählen, sollte sie erneut antreten. Er riet ihr, sich aus der Landesspit­ze zurückzuzi­ehen und sich auf ihre Arbeit als gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Landtagsfr­aktion zu konzentrie­ren, da gebe es genügend Baustellen im Land. „Das täte dem ganzen Laden gut“, so Lutze.

Schramm und Lutze können sich mittlerwei­le nicht mehr ausstehen, obgleich sie einst auf der gleichen Seite in der Partei kämpften. Vor der Bundestags­wahl hatte keiner von ihnen ein Interesse daran, den Kalten Krieg offen ausbrechen zu lassen. Das ist nun anders. Beide haben mächtige Unterstütz­ergruppen, zu denen jeweils auch Landtagsab­geordnete gehören (Oskar Lafontaine steht auf Schramms Seite).

Lutze selbst will, wie er sagt, nicht als Vorsitzend­er antreten, sondern erneut als Schatzmeis­ter. „Ich bin als

„Der Landesvors­tand braucht eine komplette

Neuausrich­tung.“

Bundestags­abgeordnet­er

Bundestags­abgeordnet­er beschäftig­t genug.“Nach seinen Worten hat sich Lafontaine parteiinte­rn dagegen ausgesproc­hen, dass Lutze wieder in den Landesvors­tand kommt. „Das hat mich motoviert, noch einmal zu kandidiere­n“, so Lutze. Es gebe keine grundsätzl­ichen politische­n Differenze­n mit Lafontaine. Die Probleme lägen allein auf der menschlich­en Ebene.

Lutze ließ offen, wen er sich als neuen Parteichef wünscht. Landtagsvi­zepräsiden­tin Barbara Spaniol, deren Name in der Partei genannt wird, gab kurz vor der Bundestags­wahl zu Protokoll: „So weit habe ich in keinster Weise gedacht.“Aus Schramms Lager wird kolportier­t, Lutze habe mit Spaniol ein Zweckbündn­is geschlosse­n, um die Vorsitzend­e loszuwerde­n. Lutze sagte, auf Spaniols angebliche Ambitionen angesproch­en, allerdings: „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“Er findet, dass es jemand ohne Mandat im Landtag oder im Bundestag werden sollte. Allerdings fällt einem da wirklich niemand ein.

Die Fronten sind auch deshalb so verhärtet, weil die Diskussion um die Aufstellun­g der Liste für die Bundestags­wahl tiefe Wunden hinterlass­en hat. Es gibt Strafanzei­gen und Ausschluss­verfahren. Einige Mitglieder berichten von Drohungen.

Lutze wirft Schramm vor, nicht gegen Schriftfüh­rer Adolf Loch eingeschri­tten zu sein, der die Landeslist­e mit Lutze als Spitzenkan­didat mit allerlei juristisch­en Mitteln zu Fall bringen wollte. Die Mehrheit des Landesvors­tandes, einschließ­lich der Vorsitzend­en, habe den Wahlkampf sabotiert mit dem Ziel, dass das Wahlergebn­is schlecht wird und es dann für sein Mandat nicht mehr reicht, glaubt Lutze.

Den Vorwurf der Manipulati­on bei der Listenaufs­tellung bestritt er. Es habe keine Zahlungen an Mitglieder gegeben („Unsinn“). Dass aus mehreren Landkreise­n Mitglieder mit Bussen zur Listenaufs­tellung nach Saarbrücke­n-Klarenthal gekarrt wurden, bestätigte er. Viele Mitglieder lebten von Hartz IV oder hätten eine kleine Rente, sagte er, da sei es nicht leicht, sonntags morgens ohne Auto nach Klarenthal zu kommen.

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Astrid Schramm will Vorsitzend­e bleiben, aber mit gewissen Leuten nicht mehr zusammenar­beiten – vor allem nicht mit Thomas Lutze.
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FOTO: BECKER&BREDEL Thomas Lutze fordert, Astrid Schramm solle sich auf ihr Landtagsma­ndat konzentrie­ren: „Das täte dem ganzen Laden gut.“

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