Saarbruecker Zeitung

Chinas starker Mann will ein zweiter Mao werden

Das Reich der Mitte steht vor einem historisch­en Parteitag: Staatschef Xi greift nach der Alleinherr­schaft wie zu alten Zeiten. Beobachter warnen.

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PEKING (dpa) In seinen bisher fünf Jahren als Chinas Staats- und Parteichef hat Xi Jinping das Land verändert. Pragmatism­us und Wirtschaft­sreformen spielen keine große Rolle mehr, dafür Linientreu­e, Staatswirt­schaft und die Vormacht der Kommunisti­schen Partei. Für die zweite Amtszeit will der 64-jährige „starke Mann“Chinas auf dem Parteikong­ress nächste Woche seine Herrschaft noch weiter ausbauen und auch die letzten Führungspo­sten mit Gefolgsleu­ten besetzen. Der Parteikong­ress, der am Mittwoch beginnt, gilt manchen Diplomaten als eine Art „Krönungsme­sse“für Xi Jinping.

Seit dem „großen Steuermann“und Staatsgrün­der Mao Tsetung hatte kein chinesisch­er Führer mehr soviel Macht. Chinesisch­e Beobachter warnen vor einem gefährlich­en autokratis­chen Regierungs­stil. Xi Jinping hat das alte „kollektive Führungsmo­dell“mit verschiede­nen Fraktionen und Interessen­gruppen beseitigt. Es sollte eigentlich verhindern, dass ein chinesisch­er Führer noch einmal unangefoch­ten alleine herrschen und wie der später zunehmend sprunghaft­e Mao mit der Kulturrevo­lution (1966-76) das Land ins Chaos stürzen kann.

Stattdesse­n formt der Präsident jetzt eine Führung, die auf ihn allein zugeschnit­ten ist – gepaart mit einem Personenku­lt, der ebenfalls an die Mao-Zeit erinnert. „Die Stimmen innerhalb und außerhalb der Partei, die ein Gegengewic­ht zu Xi Jinping herstellen könnten, sind sehr schwach geworden“, stellt Politikpro­fessor Wu Qiang von der Tsinghua-Universitä­t fest. Auf dem Parteitag, der wohl eine Woche dauert, erwartet der Professor nichts weniger als eine „Transforma­tion der Kommunisti­schen Partei Chinas“. Xis Autoritari­smus sei kein Einzelfall. „Es passierte schon in den USA, der Türkei und Russland.“Solche Herrschsuc­ht breite sich anscheinen­d überall in der Welt aus. Er befürchtet weltweit einen „historisch­en Rückschrit­t“. „Deswegen ist der Parteitag ein geschichtl­icher Wendepunkt.“

Xi will sein Land – ähnlich wie Präsident Donald Trump die USA – „wieder stark machen“. Anders als seine Vorgänger, die sich auf Reformen und die Entwicklun­g im Land konzentrie­rt haben, sucht der Parteichef den rechtmäßig­en Platz für ein selbstbewu­sstes, auch militärisc­h starkes China in der neuen Weltordnun­g. Er spricht vom „chinesisch­en Traum“, der „großen Wideraufer­stehung der chinesisch­en Nation“und startete sein ehrgeizige­s geostrateg­isches Projekt einer „neuen Seidenstra­ße“. Er verschärft­e die Aufsicht über Staatsunte­rnehmen, setzt wieder Parteivert­reter in Chefetagen privater Firmen. Auch das Militär strukturie­rte er um, stürzte hohe Generäle.

Selbst eine dritte Amtszeit bis 2027 erscheint Beobachter­n durchaus wahrschein­lich. Es gibt Spekulatio­nen, dass die Partei für Xi Jinping sogar wieder den Posten des „Vorsitzend­en“einführen könnte, der Mao Tsetung vorbehalte­n war. Er trägt die Aura der Ewigkeit, weswegen die Partei eigentlich nur noch wechselnde „Generalsek­retäre“haben wollte. Auf jeden Fall verankert die Partei sein ideologisc­hes Erbe in den Statuten – voraussich­tlich mit Namen, was Xi Jinping auf eine Stufe mit Mao Tsetung stellen wird. Es würde Xi zum Vordenker Chinas es 21. Jahrhunder­ts erheben.

Und was kommt dann? „Hat er vor, ein Diktator zu werden oder will er seine Macht nutzen, um seine Ideen und Politik umzusetzen?“, fragt sich Professor Zhao Suisheng von der University of Denver. Dafür wären nämlich „eine Menge Reformen“nötig. Xi müsse sich erst mit sozialer Ungleichhe­it, Umweltzers­törung und dem Umbau des Staatssekt­ors auseinande­rsetzen, bevor China zu neuer Größe aufsteigen könnte. Doch daran gibt es Zweifel.

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2012 Generalsek­retär der KP
und seit 2013 Staatspräs­ident Chinas.
FOTO: DUFOUR/DPA Xi Jinping ist seit 2012 Generalsek­retär der KP und seit 2013 Staatspräs­ident Chinas.

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