Viele Hintertüren beim Klimaschutz
Die EU-Mitgliedstaaten wollen mehr Freiheit beim Erreichen der Ziele. Umweltschützer warnen vor Mogelpackungen.
Die Bundesumweltministerin versuchte es mit einer deutlichen Mahnung. „Europa will eine Führungsrolle. Dann muss sie heute ein starkes Zeichen setzen“, sagte Barbara Hendricks (SPD) gestern in Luxemburg. Das Treffen der 28 Ressortchefs, die in den Mitgliedstaaten für Klimaschutz zuständig sind, sollte sicherstellen, dass die Union sich nicht nur auf gemeinsame Aktionen zum CO2-Abbau verständigt, sondern nun auch noch die nationalen Anteile „angemessen“verteilt. „Wir haben uns erfolgreich geeinigt“, berichtete die deutsche Ministerin schließlich, auch wenn sich Deutschland gewünscht hätte, „noch etwas ehrgeiziger zu sein“.
Es gibt ohnehin erhebliche Zweifel, ob der Kompromiss tatsächlich wirkt. Bis 2030 will die Gemeinschaft ihren Ausstoß an Treibhausgasen um mindestens 40 Prozent unter die Menge drücken, die 1990 in die Atmosphäre geblasen wurde. Dafür stehen im Wesentlichen zwei Instrumente zur Verfügung: Mit Hilfe des Emissionshandels sollen Fabriken und Kraftwerke bis 2030 um 43 Prozent (gegenüber 2005) weniger Schadstoffe in die Luft abgeben. Bei Verkehr, Landwirtschaft, Gebäuden und im Abfallsektor muss der Ausstoß von Klimakillern um weitere 30 Prozent gesenkt werden. „Effort sharing“, also die Lastenverteilung auf die Mitgliedstaaten, nennen die EU-Experten den schwierigen Prozess. Fest steht, dass Deutschland in diesen Sektoren 38 Prozent der Gase abbauen soll. Luxemburg und Schweden müssen sogar 40 Prozent reduzieren.
Starke Wirtschaftsnationen sollen mehr beitragen als schwächere. Von Rumänien wird ein Einsparziel von nur zwei Prozent verlangt. Diese Grenzwerte gelten als unumstritten, gefeilscht wurde gestern um die Details. Denn die Mitgliedstaaten fordern flexible Lösungen: Sie pochen darauf, sich beispielsweise Pluspunkte aus einem Bereich für einen anderen gutschreiben lassen zu können, in dem die Einsparziele nicht geschafft werden. Umweltverbände sehen darin Hintertüren, die eine „Verwässerung“der europäischen Umweltpolitik bewirken würden. „Die vielen Lücken in der Effort-Sharing-Verordnung“, erklärte der WWF, „werden dazu führen, dass die 38 Prozent für Deutschland auf dem Papier schnell auf nur 34 Prozent tatsächlicher Emissionsminderung zusammenschrumpfen.“Diese Befürchtung hat auch Hendricks. Sie bestätigte in Luxemburg, dass Deutschland – wie vom Umweltbundesamt in dieser Woche bekräftigt – nicht einmal die Ziele für 2020 erreichen kann, „falls die neue Regierung hier nicht nachsteuert“. Die Bundesrepublik brauche etwa eine „echte Verkehrswende“. Hendricks: „Dafür gibt es noch gar keine Ansätze.“