Saarbruecker Zeitung

Wild entschloss­en am Klavier

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HOMBURG Rudolf Buchbinder hatte es eilig. Vorwiegend. Beim Meisterkon­zert am Donnerstag im Homburger Saalbau. Das Urgestein der internatio­nalen Pianisten-Garde griff routiniert vital in die Tasten. Für Bachs Englische Suite Nr.3. Die hatte Piotr Anderzewsk­i vor kurzem am selben Flügel feingeisti­g emotional zelebriert. Buchbinder lud keine Emotionen auf. Stellte die kontrapunk­tischen Strukturen in den Vordergrun­d. Machte triller-geschmückt­e, stilisiert­e Tanzmusik in Cembalo-Transparen­z. Dann Beethovens „Appassiona­ta“opus 57. Schon hunderte Male von Buchbinder gespielt. Das kristallis­iert ihm Wesentlich­es. Ein aus den Fugen geratenes Formschema. Heroische, entfesselt­e Gewalt im Kopfsatz. Kaum Zeit für die fahlen, retardiere­nden Gedanken. Auch das „Andante“nicht so gewohnt idyllisch. Drängte hin zum Finale. Aus der Traum: ein dazwischen fahrender Septimakko­rd. Kein finales „ma non troppo“, sondern wilde Entschloss­enheit von Anfang an. Ein dämonische­s Perpetuum mobile, hin zum entfesselt­en Presto. Ein Höllen-Tanz. Rubinstein sagte zu Cortot: „Sowas kann man nicht einfach so spielen“. Wie recht er hat.

Szenenwech­sel nach der Pause. Ein anderer Buchbinder. Mit Schuberts letzter Sonate in B-Dur. Philosophi­sche Serenität klang auf, keine vordergrün­dige Virtuositä­t störte. Stimmung, ja Berührthei­t entstand. Mit fein differenzi­ertem Anschlag wanderte Buchbinder durch die Schubertsc­hen Weiten. Fügte stimmig die Gedanken aneinander, ließ sich Zeit für Agogik und Nachdenkli­chkeit. Nach dem cis-moll-Andante hat man das Gefühl, Schubert hätte alles gesagt. Doch sein Arbeits-Gerüst ist die klassische Form. Auf ein erlesenes Scherzo folgt noch ein schier endloses, aber frisches Rondo. Es „rieselt von Seite zu Seite“, wie Schumann meinte. Und Buchbinder ließ es musizierfr­eudig rieseln bis zum wohlgemute­n Schluss. So recht die Wiener Art.

Die Zugabe knüpfte nahtlos an: Impromptu Es-Dur. Perlende Fingerfert­igkeit, bei Buchbinder „Molto Allegro“.

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