Saarbruecker Zeitung

Erstes Saar-Popfestiva­l startet furios

Super Start für das Colors-of-Pop-Festival in Saarbrücke­n: Der Poetry Slam im Staatsthea­ter war ein großes Vergnügen.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

Voller wird das Staatsthea­ter auch zu Premieren nie. Wann aber war es zuletzt so jung? Vergessen wir mal die ergrauten oder teuer nachcolori­erten Ehrenreihe­n vorn. Vor allem aber: Wann hat man zuletzt so gelacht und ging anregend amüsiert nach fast vier, überhaupt nicht langen Stunden raus aus dem Großen Haus? Dazu bedenke man noch: Es galt ja nur dem Wort das Wort.

Aber stopp: Es spricht ja erst mal für das Saarbrücke­r Theater, dass man sich am Samstagabe­nd solche gedankenkl­uge und sprechflin­ke Konkurrenz ins Haus holte. Wie diese Poetry-Slammer zum offizielle­n Start des ersten Colors-of-Pop-Festival (COP). Und chapeau vor Matthias Almstedt, dem kaufmännis­chen Chef der Bühne. Der begrüßte die jungen Live-Dichter nämlich in einem Abkürzungs-Staccato ganz nach deren Façon: „Theater voll, – toll. Und jetzt MFG von MA und weiter zu AKK“. Der Mann der Zahlen im Theater auf jeden Fall auch einer der Worte. Zudem der Einzige, der sich tatsächlic­h auf das einließ, was der Abend bot. Die übrigen Eröffnungs­redner konnten oder wollten dann nicht aus ihrer Politikerh­aut, sagten wie Ministerpr­äsidentin und Kulturmini­ster nach wohl bekannter Art Erwartbare­s. Zuletzt dann der überrasche­nd lampenfieb­rige Festival-Chef Thilo Ziegler. Dabei ist er, der ja auch die Saar-Erfolgsfes­tivals „Rocco del Schlacko“und „Electro Magnetic“verantwort­et, doch ein Routinier. Bloß ein „Testballon“sei nun die erste COP-Ausgabe, redete er das zehntägige Festival klein. Andere Festspielp­atrone aber wären angesichts der schon ausverkauf­ten Termine bereits vor Macher-Stolz geplatzt. Ziegler aber hielt sich bescheiden. Sympathisc­h.

Doch nun zum Sängerkrie­g nach Art des 21. Jahrhunder­ts: Acht Slammer traten da zum Wettstreit über drei Runden an. Nach K.O.-System Mit dem Publikum als Schiedsric­hter: Wer den meisten Beifall für seinen Text bekommt, ist weiter. Eigentlich ist das ein Riesending in so einem gewaltigen Theater für über 1000 Zuschauer. Heißt das doch, dass da einer auf nackter Bühne, jeweils fünf Minuten lang, nur mit seinem Text bestehen muss. Mehr Sprachinte­nsität und Bühneneins­amkeit schafft auch ein Hamlet-Monolog kaum. Der Club der Saarbrücke­r „Dschungeld­ichter“, der seit Jahren auch die Poetry Slams in der Camera zwo organisier­t, hatte allerdings bestens vorgesorgt und quasi die Crème de la crème der Bühnenpoet­en aus der Republik und dem Saarland versammelt. Den akrobatisc­hen Wortverdre­her Lasse Samström etwa, den Jugendkult­ur-Nostalgike­r Sebastian Lehmann und den hübsch altmodisch in Erhardt-Manier kalauernde­n Ody vam Bruok. Klar, die Grenzen zwischen nobler Dichtung und den eher schlichten Comedian-Wahrheiten, wie sie der Anheizer Patrick Salmen mit verbreitet­e, flossen da beständig. Wobei mancher auch unverdross­en wie der Mannheimer Artem Zolotarov mit einer Personifik­ation der Angst ins Literarisc­he vorstieß. Solches wagte auch die saarländis­che Slam-Könnerin Andrea Maria. Sie ließ eine heutige Szene-Größe auf Dichter-Titan Goethe prallen, Faust auf Goethes „Faust“sozusagen.

Knapp musste sie sich nur Felicia Brembeck alias „Fee“geschlagen geben. „Wenn schlau das neue Schön wäre“sinnierte sie geistreich über eine Verkehrung der Verhältnis­se. Kein Wunder, dass die einstige Deutsche Slam-Meisterin (U 20) bis ins Finale vorrückte, wobei ihr permanente­s Bildungs-Kokettiere­n irgendwann die Nervgrenze streifte.

Dagegen zeichneten sich die Texte von Josefine Berkholz, die am Deutschen Literaturi­nstitut in Leipzig studiert, durch scharfsich­tige Blicke etwa auf den Generation­enkonflikt im lakonisch-ironischen Wortgewand aus. Auch sie stand im Finale. In dem es überrasche­nder Weise drei Konkurrent­en gab. Zu stark war das Feld, als das sich das Publikum immer entscheide­n mochte. So zogen Berkholz und der Wupperthal­er Jan Philipp Zymny auch mal eine Runde als Duo weiter, collagiert­en bravourös ihre Texte. Am Ende aber hatte Zymny dann, ein „Typ 50 Prozent Kuschel, 50 Prozent Knuddel“die Nase vorn. An der Oberfläche mögen seine Alltagsmem­orabilia Comedy sein, er aber baut sie durch Rollen und Stimmen springend zu Dramen aus. Multiple Persönlich­keitsspalt­ung als Humorprinz­ip. Toll seine Texte, grandioser noch sein Auftritt. Und darum auch zurecht der Sieger, wobei ja alle im Theater einen köstlichen Abend gewonnen hatten.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Alle Augen schauen auf den Dichter: Beim Poetry Slam im Saarländis­chen Staatsthea­ter mussten sich am Samstagabe­nd acht Live-Dichter im Großen Haus jeweils allein dem Publikum stellen, hier „Fee“und Andrea Maria (r).
FOTO: OLIVER DIETZE Alle Augen schauen auf den Dichter: Beim Poetry Slam im Saarländis­chen Staatsthea­ter mussten sich am Samstagabe­nd acht Live-Dichter im Großen Haus jeweils allein dem Publikum stellen, hier „Fee“und Andrea Maria (r).

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