Saarbruecker Zeitung

Der Jäger der verlorenen Millionen

PORTRÄT Brasiliens oberster Korruption­s-Ermittler Moro ist ein Superstar.

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SAO PAULO (epd) Kaum jemand spaltet Brasilien so wie der für Korruption­sermittlun­gen zuständige Bundesrich­ter Sérgio Moro. Für seine Anhänger ist er ein Messias, der sein Land als einziger von der weit verbreitet­en Geißel der Vetternwir­tschaft befreien kann. Seine Gegner werfen ihm vor, eine Hetzjagd auf Volkstribu­n und Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva zu veranstalt­en und den Sturz der linksgeric­hteten Präsidenti­n Dilma Rousseff erst ermöglicht zu haben. Er ist Superstar und Hassfigur zugleich.

Seine Ermittlung­en zum milliarden­schweren Korruption­sskandal „Lava Jato“um den staatlich kontrollie­rten Ölkonzern Petrobras haben ganz Brasilien verändert. Vor kurzem hat der internatio­nal hoch geschätzte Jurist Moro Ex-Präsident Lula zu neuneinhal­b Jahren Haft wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt. Es ist der vorläufige Höhepunkt des Kräftemess­ens zwischen dem ehrgeizige­n Bundesrich­ter und dem Linkspolit­iker, der zurzeit wieder in Curitiba vor Gericht steht. Für Moro und seine Fans ist das Urteil, das noch nicht rechtskräf­tig ist, eine Genugtuung. Sollte Lula verurteilt werden, kann er 2018 nicht wieder als Präsidents­chaftskand­idat antreten. In allen aktuellen Umfragen liegt der ehemalige Staatschef weit vorn.

Das Verfahren sagt allerdings auch viel über die Arbeitswei­se des 45-jährigen Moro aus. Es geht um eine große dreistöcki­ge Wohnung im Ferienort Guarujá an der Küste des Bundesstaa­tes Sao Paulo. Lula hat sie laut Anklage von der Baufirma OAS zur Verfügung gestellt und aufwendig renoviert bekommen. Der Wert wird mit rund einer Million Euro angegeben. Allerdings gibt es kein einziges Schriftstü­ck, auf das sich Moro stützt – lediglich Telefonate von Lulas inzwischen verstorben­er Ehefrau Marisa Letícia.

Vier weitere Verfahren hat Moro noch gegen Lula angestreng­t. Mit einer Power-Point-Präsentati­on ging Staatsanwa­lt Deltan Dallagnol an die Presse und erklärte Lula noch vor Verfahrens­beginn zum „Oberbefehl­shaber des Korruption­snetzwerks“um den Ölkonzern Petrobras. Solche Show-Auftritte und die Omnipräsen­z Moros in den Medien haben ihm und seinen ambitionie­rten Korruption­sermittler­n, die alle jung, weiß und aus der Mittelklas­se kommen, den Namen „Curitiba Boys“eingebrach­t, nach dem Sitz der Behörde im Süden des Landes.

Die Kritiker werfen Moro ohnehin vor, seine Urteile seien politisch motiviert. „Rei do Vazamento“– „König des Durchsicke­rns“nennen sie ihn. Im Vorjahr ließ er abgehörte Telefonges­präche zwischen Rousseff und Lula an die Presse weiterleit­en und stürzte damit die Links-Regierung in eine noch tiefere Krise. Zehntausen­de protestier­ten danach gegen die Komplizens­chaft der Justiz mit den konservati­ven Medien.

Moro ist Nachfahre italienisc­her Einwandere­r, sein Vater war Geografie-Professor, seine Mutter Lehrerin. Nach seinem Jura-Studium unter anderem in Harvard spezialisi­erte er sich schnell auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption. Sein Aufstieg begann 2015, als er die Leitung der Korruption­sermittlun­gen im Fall Petrobras übernahm. Über sein Privatlebe­n ist nicht viel bekannt, seine Frau und seine zwei Kinder hält er bewusst aus den Medien heraus – aus Sicherheit­sgründen.

Es ist vor allem Moro und seinen Ermittlern zu verdanken, dass die in Brasilien jahrelang in Politik und Wirtschaft geduldete Korruption nicht länger mehr als Kavaliersd­elikt gilt. Ernsthaft und akribisch brachten sie ein jahrzehnte­langes Klüngelsys­tem ins Wanken. Indes werden dem ehrgeizige­n Juristen auch eigene politische Ambitionen nachgesagt. Auf der Suche nach einem Präsidents­chaftskand­idaten des konservati­ven Bündnisses wird immer wieder sein Name genannt. Bislang hat Moro nicht durchblick­en lassen, ob er den Sprung in die Politik wagen will. Dann könnte es 2018 zu einem neuen Duell Lula gegen Moro kommen – Ausgang ungewiss.

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FOTO: AFP Bundesrich­ter Sérgio Moro wird bewundert und gehasst.

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