Saarbruecker Zeitung

Ein Triumph für Weil, ein kleiner Sieg für Schulz

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Im Willy-Brandt-Haus und bei Schulzens in Würselen wird man sich das sicherlich einrahmen: „And the winner is:

SPD“. Das gab es lange nicht. Dennoch sollten auch die Sozialdemo­kraten im Bund dieses Ergebnis für sich nicht überbewert­en. Sie sind nicht raus aus ihrer strukturel­len Krise. Sie müssen nur ihren Hundert-Prozent-Vorsitzend­en jetzt nicht gleich wieder abwählen. Und haben mit Stephan Weil einen neuen starken Mitspieler in den Bundesgrem­ien. Der hat gewiss nicht wegen der Bundes-SPD gewonnen. Sondern trotz ihr. „The winner is: Stephan Weil“.

Die ersten drei Landtagswa­hlen dieses Jahres – Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – wurden zwar auch alle nach landespoli­tischen Themen entschiede­n, hatten aber viel größere bundespoli­tische Auswirkung­en. Denn sie nahmen Schulz den Schwung und sorgten so letztlich mit für den Ausgang der Bundestags­wahl. Niedersach­sen wird auch in den Folgen weitgehend eine Landtagswa­hl bleiben. Zwar wird Bundeskanz­lerin Angela Merkel noch ein wenig mehr geschwächt, weil ihre Union den sicher geglaubten Sieg in den Schlusswoc­hen doch noch verlor. Freilich nicht wirklich wegen Merkel und ihrer Flüchtling­spolitik, wie die sehr schwachen Werte der AfD zeigen. Sondern, weil es in Niedersach­sen keine Wechselsti­mmung gab. Das Land hätte zum gegenwärti­gen Zeitpunkt ja noch nicht einmal wählen wollen, wenn nicht eine grüne Abgeordnet­e die Seiten gewechselt hätte. Die niedersäch­sische Union hat sich kolossal verrechnet.

Für Stephan Weil ist der Ausgang ein unerwartet­er vorgezogen­er Vertrauens­beweis; doch ist seine Aufgabe nicht leichter geworden. Die strukturel­len Umbrüche an der Küste, die bevorstehe­nde Neuorienti­erung der starken Automobili­ndustrie rund um Wolfsburg und ein neuer Umgang mit der Massentier­haltung und der industriel­len Landwirtsc­haft insgesamt, das sind die großen Themen. Dazu die Bildung, die in Niedersach­sen in der Vergangenh­eit ein besonderes schlimmes Wechselbad von Reformen durchlebt hat. Das alles ist Landespoli­tik durch und durch. Weil bekommt nun aller Voraussich­t nach eine zweite Chance, die Dinge anders und besser anzupacken, als er das bisher getan hat.

Der Wahlkampf der vergangene­n Wochen war heftig. Die Gräben zwischen der CDU auf der einen sowie SPD und Grünen auf der anderen Seite sind tiefer geworden und werden wohl noch lange sichtbar sein. Das einzig Positive daran war, dass die Polarisier­ung die Randpartei­en kleingehal­ten hat. So konnte speziell die AfD in Niedersach­sen nicht an die jüngsten Wahlerfolg­e im Bund und in etlichen Bundesländ­ern anknüpfen. Dem Land ist jetzt eine schnelle Regierungs­bildung zu wünschen, damit die Phase politische­r Turbulenze­n endet. Und dem Bund, wo alle Parteien das Ergebnis von Hannover abgewartet haben, ebenso. In dieser Woche geht es in Berlin endlich los mit den Sondierung­sgespräche­n für Jamaika. Es ist wahrlich schon genug Zeit verloren gegangen.

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