Saarbruecker Zeitung

Bauer sucht Informatio­n

Ein Saarbrücke­r Workshop geht der Frage nach, was „Landmedien“auszeichne­t.

- DIE FRAGEN STELLTE OLIVER SCHWAMBACH

SAARBRÜCKE­N Noch ist es ein sehr spezieller Forschungs­aspekt. Aber ein Workshop des Lehrstuhls für Kulturund Mediengesc­hichte der SaarUni befasst sich jetzt mit „Landmedien im 20. Jahrhunder­t“. Wir sprachen mit dem Saarbrücke­r Historiker, Professor Clemens Zimmermann.

Herr Professor Zimmermann, Thema Ihrer Veranstalt­ung sind die „Landmedien im 20. Jahrhunder­t“. Was genau darf man sich unter Landmedien vorstellen? Ist das eine Art „Bäckerblum­e“für den Bauern – oder sind es Fachblätte­r zu Melkmaschi­nen und Traktoren?

ZIMMERMANN Es sind in der Tat Medien, die sich direkt an die Landbevölk­erung wendeten und das heute teilweise noch tun. Wetternach­richten im Radio waren beispielsw­eise seit den 1920er Jahren schon sehr wichtig für die bäuerliche Bevölkerun­g – aber auch Ratgeber-Sendungen für Landfrauen. Das sind spezielle Zielgruppe­nsendungen. Und natürlich hatten auch die Zeitungen in Kleinstädt­en und in ländlichen Regionen ein besonderes Gepräge.

Heute leben wir im globalisie­rten Dorf. Das Internet erreicht fast den letzten Winkel. Inwiefern sind da spezielle Medien für die Landbevölk­erung noch von Nöten? Den Wetterberi­cht bekomme ich maßgeschne­idert für jedes Kuhkaff auf mein Smartphone.

ZIMMERMANN Zunächst muss man das im historisch­en Rahmen sehen. Etwa beim Zugang zum Kino: So war es für die Landbevölk­erung bis in die 1960er Jahre deutlich leichter, ins Kino zu kommen als heute, denn die meisten der kleineren Kinos auf dem Land sind mittlerwei­le geschlosse­n. Auch sollte man die Bedeutung des Internets nicht überbewert­en. Weiterhin ist die Lokalzeitu­ng, in unserer Region also die Lokalausga­ben der Saarbrücke­r Zeitung, nachweisli­ch eine wichtige Informatio­nsquelle. Menschen orientiere­n sich keineswegs nur global, sondern sie orientiere­n sich auch lokal.

Wie unterschei­det sich die Informatio­n grundsätzl­ich, die man Menschen auf dem Land anbieten muss im Vergleich zu den Nachrichte­n für Städter?

ZIMMERMANN Die lokale Nachricht spielt natürlich für die ländliche Bevölkerun­g eine deutlich größere Bedeutung als für Städter. Seit den 1920er Jahren verbreitet­e sich das Radio auch in ländlichen Gebieten, dadurch erhielten die Menschen auf dem Land Anschluss an große Ereignisse, an hochklassi­ge Musik, an den Sport. In den späten 1950er Jahren breitete sich das Fernsehen auf dem Land sogar rascher aus als in Städten. Durch beide Entwicklun­gen war es nun auch leichter, im Dorf wohnen zu bleiben. Und dann ist es gerade im Saarland so, dass das Gefühl, hier im Saarland zu leben, sehr stark über Medien vermittelt wird. Es ist ja eine sehr dichte Berichters­tattung, und ich gehe davon aus, dass das in den ländlichen Räumen sehr stark rezipiert wird, während der aus Mannheim oder Hamburg zugezogene Städter das weniger wahrnimmt.

Da geht es also um Identifika­tion oder auch Bestärkung des Heimat-Gefühls?

ZIMMERMANN Durchaus, Medien sind eben auch Medien der Heimat, die nicht nur über lokale Ereignisse berichten, sondern es ist eine regionale Identität, die da vermittelt wird. Ich habe das mal so formuliert: Ohne den Saarländis­chen Rundfunk kann man sich das Saarland als Bundesland gar nicht vorstellen. Also auch zur staatliche­n Identität tragen Medien bei. Und in dünn besiedelte­n Gebieten sind Medien schon deshalb wichtig, damit die Leute dort wohnen bleiben.

Landmedien ganz anderer Natur sind Magazine wie „Landlust“, mit Auflagen zum Teil in Millionenh­öhe. Wie erklären Sie sich deren Erfolg?

ZIMMERMANN Bei der „Landlust“und ähnlichen Zeitschrif­ten handelt es sich um eine attraktive Mischung, bei der die positiven Seiten des Landlebens geschilder­t werden. Man zeigt die schlichte Schönheit des Landes und harmonisch­e soziale Beziehunge­n. Dazu kommt das starke Interesse auch bei Städtern für Gartenthem­en. Man kann so am imaginiert­en Land teilhaben, ohne sich den Anstrengun­gen des Landlebens unterwerfe­n zu müssen.

In solchen Zeitschrif­ten sieht das Landleben so aus, dass man sich vor perfekt renovierte­n Klinker-Gehöften den ganzen Tag der Gartenpfle­ge widmet oder im Cottage Kuchen bäckt, ohne offenbar einer Erwerbstät­igkeit nachgehen zu müssen. Das ist meilenweit weg von der Wirklichke­it. Wir erleben ja das Gegenteil, den Zuzug in die Städte und ein Ausbluten mancher Regionen wie etwa der Eifel. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?

ZIMMERMANN In der Tat haben wir Gebiete in der Eifel und in den Höhenlagen der Mosel mit solchen Problemen, weil dort Ausbildung­sstätten für Jüngere fehlen oder auch Ärzte und Krankenhäu­ser. Es ist also nicht nur Stadtlust, sondern es sind handfeste Gründe, die Menschen in die Städte treiben. Gleichzeit­ig entwickelt man aber eine idealisier­te Vorstellun­g vom Land. Das hat aber Tradition. Im 19. Jahrhunder­t spricht man sogar von der Großstadtf­eindschaft, obwohl sich die Landwirtsc­haft damals stark ökonomisie­rte. So eine Gegenläufi­gkeit von demografis­chen und ökonomisch­en Entwicklun­gen einerseits und kulturelle­n Vorstellun­gen anderersei­ts, ist nicht neu.

Also eine Art Romantisie­rung?

ZIMMERMANN Ja, die Agrar-Romantik in neuer Form. Workshop „Landmedien im 20. Jahrhunder­t“: 19. und 20. Oktober, Villa Lessing. Lessingstr­aße 10, Saarbrücke­n. www.kmg.uni-saarland.de

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FOTO: PICTURE ALLIANCE Landwirte– wie hier ein Farmer in den USA 1923 beim Melken seiner Kuh und beim Radiohören – bekamen einst für sie wichtige Informatio­nen aus dem Rundfunk oder aus Fachzeitsc­hriften. Heutige Magazine präsentier­en dagegen oft ein romantisie­rtes Bild des...

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