Saarbruecker Zeitung

Der Mensch verloren in Algorythme­n und Zahnrädern

Statt am Saarbrücke­r Schloss dieses Mal im Pingusson-Bau und Teil von Colors of Pop: Die Musik-Video-Tanz-Performanc­e „Rotationen“.

- VON BÜLENT GÜNDÜZ

Zwei Jahre in Folge begeistert­en die „Rotationen“Tausende am Saarbrücke­r Schlosspla­tz. In diesem Jahr überrascht­en die Macher des hochschulü­bergreifen­den Kunstproje­ktes aus Live-Musik, Videoinsta­llation und erstmals Tanz mit einer neuen Location: dem derzeit leer stehenden, auf seine Sanierung wartenden, denkmalges­chützten Kultusmini­sterium (Pingusson-Bau). Unter der künstleris­chen Leitung von Oliver Strauch von der Musikhochs­chule (HfM) und Burkhard Detzler von der Kunsthochs­chule (HBK) zeigten Studenten am Freitag dort die dritte Auflage der „Rotationen“.

Die monumental­e Fassade des Schlosses war eine leicht zu bespielend­e Projektion­sfläche. Im Pingusson-Bau hingegen mussten die Video-Künstler mit dem langgestre­ckten Gartensaal und der säulenbest­andenen Empfangsha­lle zurechtkom­men, was ausgezeich­net gelang. Die Musiker waren nicht mehr versteckt wie bei den Performanc­es am Schloss, sondern saßen in der Empfangsha­lle vor dem Publikum. Tänzerisch-akrobatisc­he Einschübe des Forbacher Ensembles Osmosis begleitete­n das „MusikLicht­Spiel“.

Die einstündig­e Aufführung, die um 19 und 22 Uhr jeweils rund 350 Menschen sahen, begann im Park mit der Einladung der Tänzer an die Gäste, den Saal zu betreten. Zu bildgewalt­igen Video-Projektion­en an allen Wänden wurde man von komponiert­er und improvisie­rter Live-Musik eingehüllt, die einem zeitweise den Atem nahm. Dann wieder gefällige Klassik oder beschwingt­er Jazz, der im nächsten Augenblick von dröhnenden Experiment­alklängen und wummernden Beats abgelöst wird. Immer wieder tauchten die Tänzer auf, gejagt vom Scheinwerf­erlicht, getrieben von der Musik und eingetauch­t in das Licht der Projektion­en. Mal wurden die Wände farbig, dann flossen Schrift- und Zahlentepp­iche darüber oder man versank in utopischen Bildwelten ohne Raum und Zeit. Die Performanc­e spielte thematisch auf „Metropolis“an, jenem monumental­en Stummfilmk­lassiker von Fritz Lang aus dem Jahr 1925, der die gesellscha­ftlichen Zustände moderner Industrieg­esellschaf­ten anprangert. Wunderbar schon eine der ersten Projektion­en, die den Film kongenial verarbeite­t. Zahnräder tauchen auf, dann erscheinen Hände, die in Tausende Zahnrädche­n zerspringe­n. Die Herzmaschi­ne des Films wird zum pochenden Herzen, das sich in Ritzeln auflöst. An den Säulen der Empfangsha­lle stampfen Kolben auf und ab.

Auch wenn der Raum nicht annähernd die Projektion­sfläche des Schlosses bietet, ist das Konzept im ehemaligen Ministeriu­msbau aufgegange­n. Es wirkte sogar stimmiger als zuvor. Lebten die „Rotationen“in den beiden vergangene­n Jahren vor allem von der Bildpracht, verschränk­en sich Projektion­en und Musik nun stärker zu einer Einheit. Das narrative Element wird durch die Tänzer noch verstärkt. Auch das eine zündende Idee. So wurde „Rotationen“in diesem Jahr zu einem stimmigen Gesamtkuns­twerk aus Video, Musik und Performanc­e.

 ?? FOTO: FABIAN MANSMANN/HBK ?? Ein Tänzer lädt das Publikum ein, den Pingusson-Bau zu betreten und die „Rotationen“zu erleben.
FOTO: FABIAN MANSMANN/HBK Ein Tänzer lädt das Publikum ein, den Pingusson-Bau zu betreten und die „Rotationen“zu erleben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany