„Turnen bedeutet Sport und Kultur“
Der Saarländische Turnerbund modernisiert seine vielfältigen Angebote und passt sie den Bedürfnissen der Mitglieder an.
Franz Josef Kiefer Spitze führen, zuletzt Luca Ehrmantraut. „Wir können nicht alles gleichermaßen fördern“, räumt Kiefer ein. Trotzdem konnten sich in den vergangenen Jahren die Erfolge in der Rhythmischen Sportgymnastik und im weiblichen Gerätturnen sehen lassen. Pauline Schäfer aus Bierbach nahm 2016 an den Olympischen Spielen in Rio teil, gewann WM-Bronze am Schwebebalken, krönte sich vor einer Woche dann sogar am gleichen Gerät zur Weltmeisterin. Um dieses Niveau zu erreichen, musste Schäfer jedoch fortgehen, zum Bundesstützpunkt nach Chemnitz. „Sie hat sich deshalb so stark entwickelt, weil sie mit ihren Konkurrentinnen trainieren konnte“, sagt Kiefer.
In der Region lebt der Spitzensport vor allem von der TG Saar, die in der Deutschen Turnliga wieder Meister werden will. „Sie ist für uns ein Aushängeschild“, erklärt der STB-Chef: „Kein Verein wird so stark vom Verband gefördert.“Landestrainer Viktor Schweizer fungiert zugleich als Cheftrainer der Mannschaft. 2018 wird Schweizer in den Ruhestand gehen, seine Nachfolge ist noch nicht klar.
Im Landessportverband für das Saarland (LSVS) gehören die Turner zu den Schwergewichten. Ihre 339 Vereine zählen mehr als 70 000 Mitglieder. Nur die Fußballer binden im Saarland noch mehr Menschen. Kiefer repräsentiert als Sportfunktionär eine ungeheure Bandbreite – vom Mutter-Kind-Turnen bis zu Olympischem Spitzensport. Und er spricht für eine Basis, deren Struktur überraschend zeitgemäß erscheint. Turnvereine sind keine Männerdomäne, Frauen und Kinder bilden wichtige Zielgruppen. Daneben richten sich viele ihrer Angebote an Senioren. „Wir sind der größte Frauen- und der größte Kleinkindersportverband des Saarlandes“, sagt STB-Geschäftsführer Karsten Kreis.
Kein Sport in Deutschland verfügt über so viel Tradition wie das Turnen. Umso mehr bemüht sich der STB um ein modernes Auftreten. Das unüberschaubar große Angebot der Turnvereine hat der Verband neu geordnet. Angestoßen durch den Deutschen Turnerbund, die Dachorganisation in Frankfurt. Die Nachfahren von Turnvater Jahn werben mit drei „Marken“: dem Kinderturnen, Turnen als Wettkampfsport und der „Gymwelt“. Kiefer will diesen Begriff weiter etablieren. „Die alten Turner haben sich dagegen fürchterlich gewehrt“, gibt er zu. Doch: Die „Gymwelt“soll dem STB ermöglichen, mit einer Vielzahl freier und auch kommerzieller Anbieter zu konkurrieren. Seien es Fitness-Studios oder Yoga-Schulen. „Da kommen alle Trends mit rein“, erklärt Kiefer die verbandsinterne „Welt der Gymnastik“. Sie umfasst den gesamten Fitness- und Gesundheitssport, Aerobic, Pilates oder Yoga. Außerdem alles, was sich draußen abspielt, Wandern, Nordic Walking, die beliebten Orientierungsläufe. Akrobatik oder Tanz fallen ebenso in diesen Bereich, solange es nicht um Wettkämpfe geht.
Der STB will sich jedoch nicht in einen Wettbewerb mit der wachsenden Freizeitindustrie begeben. Auch wenn die Turnvereine seit 2003 knapp 10 000 Mitglieder verloren haben. Teilweise kompensieren sie diese Verluste durch ein Kursangebot, ohne Verpflichtungen. „Kurse sind gut als Einstiegsdroge in die Vereinsmitgliedschaft“, sagt STB-Geschäftsführer Karsten Kreis. Wer sich für einen Kurs anmelde, sei am Ende aber wieder draußen.
Der Verbandspräsident erkennt in der Arbeit der Turnvereine eine gesellschaftliche Aufgabe. „Turnen bedeutet Sport und Kultur“, erklärt Kiefer: „Wenn man beides sieht, ist klar, dass wir nicht nur Dienstleister im Sinne eines angebotsorientierten Vereins sind, sondern dass wir eine Philosophie verbreiten.“
Für den früheren Schulleiter kommt dem Sozialen eine Schlüsselrolle zu. Kurse könne jedes Fitnessstudio anbieten, vielleicht gar besser als ein Verein, sagt Kiefer. „Was sie nicht können, ist das Einbinden in eine Gemeinschaft, das Dabeisein und Mitmachen.“
Turnen war schon immer eine Massenbewegung. Mit einer ausgeprägten Kultur gemeinschaftlichen Feierns. Im Juni reisten 80 000 Menschen zum Internationalen Deutschen Turnfest nach Berlin, 1500 von ihnen kamen aus dem Saarland. Das 20. Landesturnfest in St. Ingbert zog im vergangenen Jahr etwa 12 000 Teilnehmer an. „Für uns sind diese Veranstaltungen die Höhepunkte im Leben der Turnvereine“, sagt Geschäftsführer Kreis: „Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl und bilden eine Klammer um alle Bereiche.“
2016 erprobte der STB ein neues Format: In Saarbrücken fand ein Sportkongress mit über 500 Teilnehmern statt, hauptsächlich Übungsleiter und Trainer, „unsere Multiplikatoren“, sagt Kiefer. „Sie sollen über den Tellerrand blicken und Lust bekommen, sich weiter zu qualifizieren“, erklärt Kreis. Im Herbst nächsten Jahres gibt es die zweite Auflage. So will der STB die Zukunft seiner Vereine sichern. Ein Risiko liegt für Kiefer jedoch in der Infrastruktur. „Das Problem sind die Hallen in der Fläche“, sagt der Verbandschef. Er sieht Land und LSVS gefordert. Es müsse einen Masterplan zur Sanierung der Hallen geben, findet Kiefer. Was klingt, als ob der Architekt des STB das nächste Projekt im Blick hätte.
„Das Problem sind die Hallen in der Fläche.“
Präsident des Saarländischen
Turnerbundes (STB)