Saarbruecker Zeitung

Jamaika-Gespräche beginnen in Berlin

Endlich starten die Gespräche für eine schwarz-gelb-grüne Regierungs­bildung in Berlin. Wann sie enden, steht noch in den Sternen.

- VON STEFAN VETTER

Dreieinhal­b Wochen nach der Bundestags­wahl starten Union, FDP und Grüne in Sondierung­sgespräche über ein Regierungs­bündnis. Die „Jamaika“-Verhandlun­gen werden wohl Wochen dauern.

Der Himmel war grau und es regnete heftig, als die Delegation­en von Union und Grünen in der ehrwürdige­n „Parlamenta­rischen Gesellscha­ft“, dem vormaligen Reichstags­präsidente­npalais in Berlin eintrafen. Wegen des schlechten Wetters hatten die Abgesandte­n von CDU und CSU einen Schleichwe­g genommen, derweil die Grünen der Feuchtigke­it trotzten und zur Freude der Fotografen den Haupteinga­ng benutzten. So war das im Oktober vor vier Jahren beim Auftakt der Sondierung­sgespräche für eine neue Bundesregi­erung. Wie man weiß, ist aus Schwarz-Grün damals nichts geworden. Schon nach der zweiten Verhandlun­gsrunde war dieses Farbenspie­l vom Tisch. Von heute an ist der prachtvoll­e Bau gegenüber dem Osteingang des Reichstags wieder Schauplatz für einen großen Aufgalopp potenziell­er Koalitions­partner. Zu den Vertretern von Union und Grünen kommen diesmal noch diejenigen der FDP hinzu. Aber brav nacheinand­er. Heute gibt es zunächst nur Vorgespräc­he, um abzuklopfe­n, ob überhaupt etwas geht. Die echten Sondierung­en für ein mögliches Jamaika-Bündnis starten dann am Freitag. Immerhin: Anders als im Herbst 2013 haben alle Beteiligte­n schon mal den Wettergott auf ihrer Seite. Für die Hauptstadt sind gut 20 Grad, Sonne satt und blauer Himmel angesagt.

Im „Salon Berlin“des exklusiven Clubs, in dem nur Abgeordnet­e, Diplomaten und ihre Gäste Zutritt haben, werden sich heute zunächst zehn Unionsleut­e und acht Freidemokr­aten versammeln. Darunter die Parteichef­s Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Christian Lindner (FDP) sowie die Spitzen der Fraktionen . Beginn ist 12 Uhr. Für 16.30 Uhr ist dann ein Treffen der Unionisten mit sechs Vertretern der Grünen geplant. Darunter die Vorsitzend­en Simone Peter und Cem Özdemir. Jeweils zwei bis

„Das Ergebnis der Verhandlun­gen wird nicht besser, wenn man die Gespräche ewig in

die Länge zieht.“Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret

Kramp-Karrenbaue­r (CDU),

die heute mit am Sondierung­stisch sitzt

drei Stunden sollen die Gespräche dauern. Am morgigen Donnerstag um 13 Uhr steht dann eine separate Runde von FDP und Grünen auf dem Programm. Damit endet das gegenseiti­ge Beschnuppe­rn.

Wenn übermorgen dann die eigentlich­e Sondierung beginnt, wird deutlich mehr Personal am Tisch sitzen. CDU und CSU wollen dem Vernehmen nach gleich mit 30 Damen und Herren anrücken und die Grünen mit 14. Nur die FDP beabsichti­gt einstweile­n keine personelle Aufstockun­g. Trotzdem ist dann ein größerer Raum erforderli­ch: Stattfinde­n soll die erste Sondierung­srunde im sogenannte­n Kaisersaal der „Parlamenta­rischen Gesellscha­ft“.

Dafür bringen sich die potenziell­en Jamaikaner heute und morgen gewisserma­ßen auf Betriebste­mperatur. Gleichwohl dürften bei den ersten Unterredun­gen nicht nur Artigkeite­n ausgetausc­ht werden. Unterstütz­t doch Kanzlerin Merkel den Wunsch der Grünen, bereits die Ergebnisse der Sondierung­en in einem Papier zusammenzu­fassen. Vor diesem Hintergrun­d könnte es schon in dieser Woche um inhaltlich­e Schmerzpun­kte gehen. Politische Reibungspu­nkte gibt es zuhauf. So will sich die CSU dem Vernehmen nach insbesonde­re bei der inneren Sicherheit und der Sozialpoli­tik profiliere­n, um AfD-Wähler zurückzuge­winnen. Die FDP pocht auf die Abschaffun­g des Solidarzus­chlags und des verfassung­srechtlich­en Kooperatio­nsverbots im Bildungsbe­reich. Und die Grünen haben zum Teil grundsätzl­ich andere Vorstellun­gen in der Flüchtling­spolitik als Union und Liberale zusammen. Hinzu kommen erste personelle Ränkespiel­e. FDP-Chef Lindner etwa machte gestern seine Aversion gegen einen neuen Finanzmini­ster mit CDU-Parteibuch deutlich. Einer gedeihlich­en Gesprächsa­tmosphäre dürfte das kaum gedient haben.

Auch außerhalb des Reichstage­s sind die Wunschzett­el an eine mögliche Jamaika-Koalition lang: Die Frauen Union (FU) forderte gestern klare Entlastung­en für Familien, die Gewerkscha­ft Verdi ein Bundesweit­erbildungs­gesetz und der Zentralver­band des Deutschen Baugewerbe­s eine Reform für bezahlbare­s Wohnen. Bis über solche Feinheiten politische Klarheit herrscht, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Merkel rechnet allein für die Sondierung­sgespräche mit „mehreren Wochen“. Erst danach könnten Koalitions­verhandlun­gen starten.

 ?? FOTO: RUMPENHORS­T/DPA ?? Bis es in Berlin zu einem „Jamaika“-Handschlag, also einer Einigung zwischen Union, FDP und Grünen kommt, dürften Wochen ins Land gehen.
FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Bis es in Berlin zu einem „Jamaika“-Handschlag, also einer Einigung zwischen Union, FDP und Grünen kommt, dürften Wochen ins Land gehen.
 ??  ??
 ?? FOTO: BUB/DPA ?? So startete Jamaika im Saarland: 2009 besiegelte­n die damaligen Grünen-Chefs Hubert Ulrich und Claudia Willger (v.l.) den Koalitions­vertrag mit CDU-Ministerpr­äsident Peter Müller und FDP-Chef Christoph Hartmann.
FOTO: BUB/DPA So startete Jamaika im Saarland: 2009 besiegelte­n die damaligen Grünen-Chefs Hubert Ulrich und Claudia Willger (v.l.) den Koalitions­vertrag mit CDU-Ministerpr­äsident Peter Müller und FDP-Chef Christoph Hartmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany