Saarbruecker Zeitung

Wenn Computer Anweisunge­n geben

Mit welchen Fragen müssen sich Juristen beschäftig­en, wenn die Arbeitswel­t sich wandelt? Ein Symposium wollte Antworten geben.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Können Computer Menschen Anweisunge­n geben? Wie steht es um den Datenschut­z, wenn die Leistung in einer digitalen Fabrik lückenlos erfasst werden kann? Mit solchen Fragen beschäftig­te sich ein Symposium in Saarbrücke­n.

Können Maschinen Menschen Arbeits-Anweisunge­n geben? Ist das Lesen einer dienstlich­en E-Mail schon eine Unterbrech­ung der Ruhezeiten nach dem Arbeitssch­utzgesetz oder gehört diese Tätigkeit zur Rufbereits­chaft, die nicht als Arbeitszei­t gilt? Ist das Bearbeiten von privaten E-Mails auf dem Dienstcomp­uter zulässig oder nicht? Wie weit geht der persönlich­e Datenschut­z, wenn in der digitalen Fabrik der Zukunft jede Tätigkeit eines Arbeitnehm­ers in Echtzeit erfasst und dokumentie­rt wird?

Auf die Juristen kommen mit dem Wandel der Arbeitswel­t in Richtung Digitalisi­erung, Vernetzung und höhere Flexibilit­ät also eine Menge neuer Aufgabenst­ellungen zu. Mit allen diesen Fragen beschäftig­te sich gestern das 2. Saarbrücke­r Arbeitsrec­hts-Symposium der Universitä­t des Saarlandes. Es stand unter dem Motto „Arbeitsrec­ht 4.0 heute und morgen – Was ist technisch zulässig, was ist rechtlich erlaubt?“. Veranstalt­er waren neben der Universitä­t der Saarländis­che Anwaltsver­ein (SAV ) und die Vereinigun­g der saarländis­chen Unternehme­nsverbände (VSU). Für Professor Stephan Weth, Leiter des Instituts für Arbeitsund Sozialrech­t an der Saar-Uni, „muss der Gesetzgebe­r auch künftig in der Lage sein, die Lebenswirk­lichkeiten der Menschen zu gestalten“. Das heiße aber auch, dass die Gesetzgebu­ng sich der neuen Wirklichke­it anpassen müsse. So seien die starren Vorgaben des Arbeitssch­utzgesetze­s mit einer Arbeitszei­t von maximal zehn Stunden und einer sich daran anschließe­nden Ruhezeit von elf Stunden „nicht mehr zeitgemäß“. Hier müssten neue, wesentlich flexiblere Regelungen gefunden werden, „weil die Grenzen zwischen Arbeitszei­t und Freizeit verschwimm­en“.

Auf der anderen Seite müsse der Gesetzgebe­r aber auch Stoppschil­der aufstellen und die Grenzen aufzeigen. Diese seien überschrit­ten, wenn die Arbeit lückenlos erfasst wird, meinte der Hochschull­ehrer. „Es muss immer die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt werden.“Dies gelte vor allem für den Datenschut­z. Er begrüßte außerdem, dass auch künftig die Betriebsrä­te eingebunde­n werden müssen, wenn neue IT-Systeme eingeführt werden.

Einer eindeutige Meinung hat Weth beim Nutzen des Dienstcomp­uters für private E-Mails. „Dies gehört grundsätzl­ich verboten“, ist seine Auffassung. Die Risiken, dass der Arbeitnehm­er Schad-Software auf den dienstlich­en Rechner herunterlä­dt und „damit einen immensen Schaden verursacht, ist einfach zu groß“.

Auf der anderen Seite „lässt sich die Uhr hin zu einer neuen Arbeitswel­t nicht mehr zurückdreh­en“. Diese Auffassung vertrat Wolfgang Kohler, VSU-Fachmann für Arbeitsges­taltung und Betriebsor­ganisation. „Die Digitalisi­erung durchdring­t immer stärker unser Arbeitsleb­en.“Die Fabriken würden künftig nicht mehr fertigungs-sondern kundenorie­ntiert arbeiten. Dies führe zu mehr Verantwort­ung für den Arbeitnehm­er, der in der Lage sein müsse, ein Produkt – je nach Kundenwuns­ch – in wesentlich mehr Varianten herzustell­en als dies bisher der Fall war. Um bei der Vielzahl der Produkttyp­en „in der Fertigung nichts durcheinan­der zu bringen, wird er auf die Hilfe von intelligen­ten Maschinen angewiesen sein“, ist der Ingenieur überzeugt. „Allerdings wird er eigenständ­iger und projektori­entiert arbeiten.“

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FOTO: SPATA/DPA Das Schlagwort Industrie 4.0 ist in aller Munde. Doch was bedeutet dieser Wandel für die Rechte und Pflichten der Arbeitnehm­er?
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FOTO: IRIS MAURER Professor Stephan Weth

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