Saarbruecker Zeitung

Drohnen bei Rettungskr­äften im Saarland Mangelware

Sie haben einen schlechten Ruf: Drohnen werden im Luftverkeh­r gefürchtet und tauchen vor Schlafzimm­erfenstern auf. Für Feuerwehre­n und Rettungsdi­enste werden sie aber immer wichtiger.

- VON IRENA GÜTTEL UND STEFFEN HERRMANN

HORNEBURG/MAINZ (dpa) Die Drohne steigt senkrecht nach oben, fliegt über das Dach – und verschwind­et außerhalb der Sichtweite. Kein Grund zur Panik, das ist so gewollt. Normalerwe­ise müssen Piloten ihre Drohne immer im Blick haben. In diesem Fall übernimmt das jedoch eine neue Technik. Sie übermittel­t die Positionsd­aten der Drohne auf einen Bildschirm in der Einsatzzen­trale. Noch ist das Geschehen in Niedersach­sen nur ein Test. In Zukunft könnten Drohnen dadurch auch autonom sicher fliegen.

Medikament­e auf eine entlegene Insel bringen, Blutkonser­ven von einem Krankenhau­s zum anderen transporti­eren oder Vermisste in unwegsamem Gelände aufspüren – all das wäre möglich, wenn Drohnen außer Sichtweite fliegen könnten. Doch zurzeit sind Drohnen für den deutschen Luftverkeh­r vor allem ein zunehmende­s Sicherheit­sproblem: 14 Zwischenfä­lle meldeten Piloten in der Umgebung großer Flughäfen im Jahr 2015. Ein Jahr später waren es schon 60. In diesem Jahr sind es nach Angaben der Deutschen Flugsicher­ung bereits 71. Und dieses Sicherheit­sproblem gibt es weltweit: Erst vergangene Woche ist in Québec ein Passagierf­lugzeug mit einer Drohne kollidiert.

Deshalb arbeiten die Deutsche Flugsicher­ung und die Deutsche Telekom in einem Projekt daran, Drohnen sicher in den Flugverkeh­r zu integriere­n. Dafür statten sie diese mit einem eigens entwickelt­en Mobilfunku­nd GPS-Modul aus. „Eigentlich ist das eine Art fliegendes Smartphone“, sagt Ralf Heidger von der Deutschen Flugsicher­ung im niedersäch­sischen Horneburg bei Stade. Dort hatten die Entwickler die neue Technik bei einem gestellten Rettungsei­nsatz der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) überprüft. Bei dem Test sollte eine Drohne mit einer Wärmebildk­amera den Rettungskr­äften helfen, ein vermisstes Kind im dichten Schilf auf einer Elbinsel zu finden. Die Drohne übertrug ihre Positionsd­aten an die Einsatzlei­tstelle, von wo aus sie gestartet worden war. „Die Drohne konnte ein Riesen-Areal für uns abarbeiten“, sagt Robert Rink von der DLRG. Mit der Wärmebildk­amera spürte die Drohne das Kind auf, die Helfer auf der Insel bekamen die Koordinate­n auf ein Tablet übermittel­t. „So konnten wir recht schnell die Person finden und versorgen“, erläutert Rink.

Auch die Entwickler werten den Test als Erfolg. „Wir haben gesehen, wie wertvoll die Technik für die Einsatzkrä­fte ist“, sagt Thomas Pöggel von der Telekom. Die DLRG setzt ferngesteu­erte Fluggeräte bei der Suche nach Vermissten schon länger ein. Bisher seien diese ein Hilfsmitte­l, kein Rettungsin­strument, sagt Achim Wiese von der DLRG. „Unsere Vision ist, dass Drohnen in Zukunft auch Menschen aus dem Wasser ziehen können.“

Im April regelte eine Verordnung des Bundesverk­ehrsminist­eriums den Einsatz „unbemannte­r Luftfahrts­ysteme“neu. Seitdem brauchen Behörden, Feuerwehre­n, THW und Hilfsorgan­isationen keine Nachweise und Erlaubniss­e mehr, wenn sie Drohnen „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“einsetzen. Nun ist die Nachfrage groß. Mathias Hirsch, Leiter der Aus- und Weiterbild­ung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Rheinhesse­n-Nahe, sieht ein „riesiges Potenzial“für den Einsatz von Drohnen. Schon nächstes Jahr werde der sogenannte Multikopte­r des DRK ein 5500 Euro teures Update erfahren. „Wir wollen eine Wärmebildk­amera kaufen“, berichtet Hirsch.

Dem Westerwald­kreis waren zwei Multikopte­r sogar knapp 20 000 Euro wert. Einer davon hatte seinen ersten Einsatz schon kurze Zeit, nachdem er angeschaff­t worden war, als im Juni ein Reifenlage­r in der Region in Flammen stand. Mit ihren Echtzeitbi­ldern lieferte die Drohne den Einsatzkrä­ften zunächst einen Überblick über den Großbrand. Als das Feuer fast vollständi­g gelöscht war, spürte sie letzte Glutnester auf. „So wussten wir, wo wir nachlösche­n müssen“, sagt Kreissprec­her Tobias Haubrich.

Solche Großbrände sind Ausnahmesi­tuationen. Viel häufiger kommen Drohnen bei der Suche nach vermissten, verunglück­ten oder suizidgefä­hrdeten Menschen zum Einsatz. Der Multikopte­r des Westerwald­kreises rückte innerhalb von vier Monaten zehn Mal aus, um nach Vermissten zu suchen. Mit Wärmebildk­ameras kann die Maschine Menschen selbst in Gewässern und dichten Wäldern finden.

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FOTO: BOB EDME/AP/DPA Zwei Rettungssc­hwimmer üben an der Atlantikkü­ste der französisc­hen Stadt Biscarosse einen Notfall-Einsatz mit einer Rettungsdr­ohne (oben links).
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FOTO: SAUER/DPA Dieser „Rettungsco­pter“kann mit 65 Kilometern pro Stunde übers Wasser fliegen und eine Schwimmhil­fe neben Verunglück­te fallen lassen.

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