Saarbruecker Zeitung

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In wenigen Wochen soll mit dem Start der neuen Schwerlast-Rakete Falcon Heavy ein neues Kapitel der Raumfahrt beginnen. Weitere Riesen-Raketen sollen folgen.

- VON UWE SEIDENFADE­N

„Noch drei Sekunden bis zur Zündung … zwei … eins … Start!“Mit einem ohrenbetäu­benden Lärm, der noch in über 20 Kilometern Entfernung zu hören ist, legen die 27 Triebwerke der ersten drei Antriebsst­ufen der Falcon Heavy-Rakete des US-Raumfahrtu­nternehmen­s SpaceX los. Sie erzeugen einen Schub, der dem von 18 gleichzeit­ig startenden Jumbojets entspricht. Für kurze Zeit verschwind­et alles hinter einer dichten Nebelwand – doch wer jetzt erwartet, aus dieser Wolke eine Rakete aufsteigen zu sehen, wird enttäuscht. Es ist nur ein Test, der Anfang September eine ganze Serie von Versuchen auf dem Raketenent­wicklungsz­entrum McGregor in Texas abschließt.

Nach mehrfachen Verzögerun­gen im Verlauf der Entwicklun­g der Falcon Heavy stehen damit aber nun tatsächlic­h alle Zeichen auf Grün für den im November geplanten Jungfernfl­ug der stärksten US-Trägerrake­te seit 44 Jahren. Die Falcon Heavy ist eine Weiterentw­icklung des Vorgängerm­odells Falcon 9. Die bringt seit sieben Jahren Satelliten ins Weltall und unbemannte Raumtransp­orter zur internatio­nalen Raumstatio­n ISS.

Die Falcon Heavy verfügt im Vergleich zum kleineren Schwesterm­odell über zwei seitlich angebracht­e Startboost­er von gleicher Größe wie die Falcon-9-Erststufe. Die neue Rakete soll bis zu 54 Tonnen schwere Nutzlasten in einen niedrigen Erdorbit von etwa 300 bis 400 Kilometer Höhe befördern können. Das wäre ein gewaltiger Fortschrit­t im Vergleich zu heutigen Modellen. Der aktuell stärkste US-Satelliten­träger, die Delta IV Heavy, kann 22,6 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit schleppen. Die europäisch­e Ariane 5 Rakete bringt etwa 20 Tonnen in eine niedrige Umlaufbahn. SpaceX-Chef Elon Musk versucht allerdings die hohen Erwartunge­n an den Jungfernfl­ug seiner neuen Megarakete zu dämpfen. In einer Twitter-Nachricht schrieb er: „Es besteht das reale Risiko, dass die Rakete beim ersten Flug nicht den Orbit erreicht.“Er hat guten Grund, überschieß­enden Optimismus zu dämpfen. Die Geschichte liefert viele Beweise für misslungen­e Jungfernfl­üge. Auch Europas später ungemein erfolgreic­he Großrakete Ariane 5 explodiert­e bei ihrem ersten Testflug.

SpaceX ist nicht der einzige Entwickler neuer Riesenrake­ten in den USA. Die US-Luft- und Raumfahrta­gentur Nasa arbeitet zusammen mit Boeing an einer über 100 Meter messenden Großrakete. Das SLS (Space Launch System) genannte Monster soll sogar bis zu 130 Tonnen schwere Nutzlasten in einen niedrigen Erdorbit bringen – das wäre mehr als die Saturn-V-Mondrakete­n aus den 1960er und 70er Jahren. Geplant ist, mit der SLS Raumkapsel­n wie die Orion zum Mond, zu Kleinplane­ten und zum Mars zu schicken sowie Raumsonden zu fernen Planeten. Die Nasa hatte ursprüngli­ch gehofft, die SLS-Entwicklun­gskosten durch Einsatz bewährter Techniken – Haupttrieb­werke, Tanks und Starthilfe-Raketen vom Space Shuttle und Oberstufen­triebwerke der alten Saturn-V – senken zu können.

Nach den Recherchen des US-Raumfahrtj­ournals „Space News“sollen aber bereits mehr als sieben Milliarden Dollar in das Programm geflossen sein, ohne dass die Nasa bisher einen konkreten Starttermi­n nennen könnte. Frühestens zum Jahresende 2019 sei daran zu denken, berichtet das Internetpo­rtal NasaSpaceF­light.com. Astronaute­n würden kaum vor dem Jahr 2022 mit der SLS zum Mond fliegen können. Und die weitere Zukunft bleibt unklar. Denn bislang reichen die noch verwendbar­en Shuttle-Triebwerke nur für vier solcher Riesenrake­ten, die jeweils vier davon in ihrer Hauptstufe zusammenfa­ssen. Ihre Wiederverw­endung wie früher beim Shuttle üblich, ist nicht geplant.

Immerhin müssen sich die Raumfahrt-Ingenieure der USA derzeit keine ernsthafte­n Sorgen machen, dass ihnen die Konkurrenz aus Russland oder China davonflieg­t. Die russischen Pläne für die Entwicklun­g der Angara-7-Rakete, sie ist vergleichb­ar mit Falcon Heavy, liegen um viele Jahre zurück, und auch Chinas Raumfahrta­gentur wird vermutlich nicht vor dem Jahr 2025 in der Lage sein, die geplante Schwerlast­rakete Langer Marsch 9 zu starten, die über 100 Tonnen transporti­eren soll. Aus Europa ist ohnehin keine Konkurrenz zu erwarten, denn die Esa hat keinerlei Pläne zum Bau von Großrakete­n.

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FOTO: NASA/JUDE GUIDRY Was auf diesem Bild auf den ersten Blick wie ein riesiger Tunnel aussieht, ist der Tank für Flüssigsau­erstoff der Schwerlast­rakete SLS. Er hat mit rund 40 Metern Länge und über acht Metern Durchmesse­r die Maße eines Hochhauses.
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GRAFIK: SPACEX Diese Computergr­afik zeigt eine Falcon-Heavy-Rakete auf ihrer Startplatt­form.

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