Saarbruecker Zeitung

Frauke Petry will Schicksal Bernd Luckes entgehen

Die EX-AfD-Chefin will mit ihrer neuen Partei das bürgerlich­e Lager ansprechen. Sie setzt bei einem Aufstieg Björn Höckes in der AfD auf Abtrünnige.

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(dpa) Drei Wochen ist es her, dass Frauke Petry der AfD den Rücken gekehrt hat. Einer Partei, in deren Aufstieg sie viereinhal­b Jahre lang fast ihre ganze Energie gesteckt hat. Den Abend der niedersäch­sischen Landtagswa­hl verbrachte die fraktionsl­ose Abgeordnet­e und frühere AfD-Chefin mit ihren Kindern.

Wenn sie über die AfD spricht, rutscht Petry manchmal noch versehentl­ich ein „Wir“heraus. Die Trennung ist noch sehr frisch. Fragt man diejenigen, die an der AfD-Spitze jetzt ohne sie die Strippen ziehen, ob womöglich noch weitere Bundestags­oder Landtagsab­geordnete zu der von Petry neu gegründete­n „Blauen Partei“wechseln könnten, erntet man meist nur ein Schulterzu­cken. Die Parole lautet: „Ach was, das Thema ist durch.“

Der Politologe Hajo Funke ist sich da nicht so sicher. Er vermutet: „Die Spannungen in der AfD werden weiter zunehmen.“Grund dafür seien rassistisc­he Äußerungen und ideologisc­he Verschiebu­ngen, die vor allem auf das Konto von AfD-Parteivize Alexander Gauland und seines wichtigen Verbündete­n, des Thüringer Rechtsauße­n Björn Höcke, gingen. „Es gibt Rechtskons­ervative in der AfD, die kriegen immer mehr Bauchschme­rzen“, sagt Funke.

So hat Anette Schultner jetzt das Handtuch geworden. Die Bundesvors­itzende der „Christen in der AfD“sagt: „Was mich schier zur Verzweiflu­ng gebracht hat in dieser Partei ist, dass das bürgerlich­e Lager nicht wehrhafter auftritt gegenüber den Radikalen.“Die AfD habe trotz aller Probleme aber auch positive Impulse in die Gesellscha­ft gegeben. „Wenn auch die Grünen jetzt über Heimat reden, dann ist das doch gut“, sagt sie.

Funke und Petry glauben beide, dass viele Unzufriede­ne noch den AfD-Bundespart­eitag abwarten wollen, wo Anfang Dezember ein neuer Parteivors­tand gewählt werden soll. Zwei Mitglieder der AfD-Bundestags­fraktion aus Nordrhein-Westfalen haben schon angekündig­t, dass mit einem Bundesvors­itzenden Höcke für sie eine rote Linie überschrit­ten wäre.

Aus einigen anderen Landesverb­änden hört man Ähnliches. Jörg Meuthen, der seit Petrys spektakulä­rem Abgang alleiniger Parteichef ist, will sich zu der Frage, ob er eine Kandidatur Höckes für den Parteivors­tand befürworte, nicht äußern. Hinter den Kulissen sollen dazu aber sehr wohl Gespräche laufen.

Für die Verwirklic­hung von Petrys Plänen für ein rechtskons­ervatives Bürgerforu­m mitsamt neuer Partei wäre ein AfD-Vorsitzend­er Höcke ein Geschenk. Petry sagt: „Die AfD hat den Durchbruch ins bürgerlich­e Milieu nie tatsächlic­h geschafft.“Der „Blauen Partei“werde dies gelingen, glaubt sie. In Sachsen wollen sie und ihre Mitstreite­r 2019 zur Landtagswa­hl antreten.

AfD-Parteivize Alexander Gauland bereiten Petrys Pläne angeblich keine schlaflose­n Nächte. Er sagt, er sehe zwischen CDU, FDP und AfD „keine Marktlücke für diese Partei“. Gauland verweist auf das freudlose Schicksal der Kleinparte­i des früheren AfD-Vorsitzend­en Bernd Lucke. Sie hatte 2015 vergeblich versucht, sich unzufriede­nen bürgerlich­en Wählern als „anständige Alternativ­e“anzudienen.

Doch auch die AfD bietet ihrem Spitzenper­sonal in diesen Tagen nicht nur Anlass zur Freude. Im niedersäch­sischen Landesverb­and ist der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen den Anhängern und Gegnern von Landeschef Paul Hampel just am Tag der Landtagswa­hl eskaliert. Hampel ist einer, der kein Problem damit hätte, Höcke im Parteivors­tand zu sehen – trotz seiner Forderung nach einer ,,erinnerung­spolitisch­en Wende“. Doch darum geht es gar nicht bei diesem Streit in Niedersach­sen, wo in den vergangene­n Wochen fleißig intrigiert und konspirier­t wurde.

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FOTO: DPA Frauke Petry.

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