Saarbruecker Zeitung

Iraks Kurden nach Rückzug ernüchtert

Seit Jahrzehnte­n sehnt sich die Volksgrupp­e nach einem eigenen Staat. Doch jetzt ist ihr Traum in weite Ferne gerückt.

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speist sich die Sehnsucht der Kurden nach einem eigenen Staat. Kurden-Präsident Massud Barsani warf der von Schiiten dominierte­n Regierung vor, sie diskrimini­ere die Minderheit­en im Land.

Mit dem umstritten­en Unabhängig­keitsrefer­endum wollte sich Barsani ein Vermächtni­s schaffen. Jetzt aber sieht es so aus, als hätte sich der 71-Jährige verpokert. Schließlic­h mussten sich die Kurden aus Gebieten zurückzieh­en, die sie nicht aufgeben wollten. Insbesonde­re der Verlust der Provinz Kirkuk schmerzt sie. Die Kurden zählen sie zu ihrem Stammgebie­t und erheben auf das umstritten­e Gebiet ebenso Anspruch wie die Zentralreg­ierung. Als im Sommer 2014 die irakische Armee vor dem IS-Ansturm zusammenbr­ach, nutzten die Peschmerga die Gunst der Stunde und rückten in Kirkuk ein. Denn vor allem ist Kirkuk reich an Öl, das ein kurdischer Staat bräuchte, um lebensfähi­g zu sein.

Enttäuscht sind die Kurden, weil sie sich von der Welt im Stich gelassen fühlen. Die großen Nachbarn Türkei und Iran wollen einen unabhängig­en Kurden-Staat ohnehin verhindern, weil ihre eigenen kurdischen Minderheit­en kein Vorbild bekommen sollen. Aber auch die USA, eigentlich ein Verbündete­r Barsanis, hatten den Präsidente­n vor dem Referendum gewarnt. Jetzt werfen die Kurden den Amerikaner­n vor, sie hätten sie fallengela­ssen. US-Präsident Donald Trump erklärte, er wolle in dem Konflikt keine Partei ergreifen. Für Washington hat der Kampf gegen den IS absoluten Vorrang. Die USA unterstütz­ten dabei sowohl Iraks Armee als auch die Peschmerga. Militärisc­h besiegt sind die Extremiste­n trotz großer Verluste bisher nicht. Noch immer kontrollie­ren die Dschihadis­ten im Westen des Iraks Gebiete. Sollte der Streit zwischen Kurden und Zentralreg­ierung eskalieren, könnte das auch den Kampf gegen den IS negativ beeinfluss­en. Vor allem aber könnte der Konflikt den ohnehin schon schwachen irakischen Staat weiter auseinande­rfallen lassen – und so den Boden für eine Rückkehr der IS-Terrormili­z bereiten. Peschmerga-Kämpfer: Dabei handelt es sich um die offizielle­n Einheiten der kurdischen Autonomieg­ebiete. Sie erhielten im Kampf gegen den IS unter anderem von der Bundeswehr Militärhil­fe.

Iraks Armee: Sie steht unter dem Kommando von Regierungs­chef Haidar al-Abadi. Eine besonders wichtige Rolle spielen die Anti-Terror-Einheiten, die schon den Kampf gegen den IS anführten. Schiitisch­e Milizen: Auch diese Einheiten unterstehe­n offiziell Al-Abadis Befehlen, allerdings führen sie ein Eigenleben. Finanziert und damit gesteuert werden sie vom schiitisch­en Iran.

Polizei: Die meisten Einheiten werden von Al-Abadi befehligt, einige aber auch von Innenminis­ter Kasim al-Aradschi, der eng mit den schiitisch­en Milizen verbunden ist.

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FOTO: AHMAD AL-RUBAYE/AFP Die Kurden mussten sich aus zahlreiche­n Regionen zurückzieh­en, unter anderem auch aus Kirkuk.

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