Saarbruecker Zeitung

Im moralische­n Dilemma

Auf der Suche nach Arbeit erkennt ein Mann, was „Der Wert des Menschen“ist.

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SAARBRÜCKE­N (ry) Der 51-jährige Thierry (Vincent Lindon) verliert infolge der europäisch­en Wirtschaft­skrise seine jahrelange Anstellung als Maschinist. Es ist ein harter Schlag für ihn, mit über 50 Jahren in das Schicksal der vielen Arbeitssuc­henden geworfen zu werden. Thierry bleibt dennoch hartnäckig und unterzieht sich in der Hoffnung auf Arbeit demütigend­en Bewerbungs­trainings und etlichen Vorstellun­gsgespräch­en. Seine Fortbildun­gen erweisen sich als nutzlos. Er muss erkennen, dass Arbeitslos­igkeit bedeutet, sich Belehrunge­n gefallen zu lassen und in der entwürdige­nden Rolle eines Bittstelle­rs auf andere angewiesen zu sein.

Gefangen in der Maschineri­e des Marktes ist er gezwungen, weit unter seinen Kompetenze­n eine Stelle als Kaufhausde­tektiv anzunehmen, um die sich allmählich häufenden Rechnungen seiner Familie bezahlen zu können. Jedoch machen gerade vor dieser Arbeit die Gesetze des Marktes keinen Halt. Thierry ist nicht nur gezwungen, die Diebstähle der Kunden, sondern auch die Verfehlung­en der Mitarbeite­r zu registrier­en. Plötzlich aus der hilflosen Lage in eine Machtposit­ion gerutscht, überträgt sich das beklemmend­e Unwohlsein Thierrys im Laufe des Films auch auf den Zuschauer. Besonders als er eine Kassiereri­n bloßstelle­n muss, weil sie ein paar Rabattcoup­ons eingesteck­t hat, sträubt er sich innerlich gegen die von ihm so verhassten Mechanisme­n.

Regisseur Stéphane Brizé („Mademoisel­le Chambon“) hat das Talent, den Kleinigkei­ten, die normalerwe­ise im monotonen Rauschen des Alltags untergehen, Ausdruck zu verleihen und sie sogar zum zentralen Thema seiner Filme zu machen. So auch bei „Der Wert des Menschen“, der zudem einen stark dokumentar­ischen Charakter hat. Die Kameraführ­ung des Doku-Filmers Eric Dumont wird durch das unglaublic­h sensible und authentisc­he Spiel von Vincent Lindon, der für seine Leistung unter anderem einen „César“und in „Cannes“den Preis als bester Darsteller erhielt, ergänzt. Auf den dortigen Filmfestsp­ielen wurde das Werk 2015 auch uraufgefüh­rt, bevor er in den französisc­hen Kinos anlief. Der Film gibt eine bedrückend­e Wahrheit wieder, indem er der Gesellscha­ft den Spiegel vorhält.

Neben Vincent Lindon sind in dem Drama noch Karine de Mirbeck als seine Frau und Matthieu Schaller als sein Sohn zu sehen. Die anderen auftretend­en Personen hingegen haben nur kleine Rollen und werden von Laien dargestell­t, die sich quasi selbst spielen. Die anfangs erwähnte Kassiereri­n geht zum Beispiel dieser Tätigkeit auch in der Wirklichke­it nach.

Der Wert des Menschen, 22.40 Uhr, ARTE

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FOTO: ARTE FRANCE Seine Arbeit als Kaufhausde­tektiv hat Thierry Taugourdea­u (Vincent Lindon) in eine Machtposit­ion gebracht, die ihn dazu zwingt, jene aus der Nähe zu beobachten, die schon fast ganz unten angelangt sind.

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