Saarbruecker Zeitung

Im „Plattenlan­d“klingt jeder Schritt

Lange schien Vinyl Geschichte zu sein. Doch es gibt neue Liebhaber der alten schwarzen Scheibe – und O.W. Himmel, der sie zu Kunst verarbeite­t. Zu sehen im Rahmen des Festivals Colors of Pop im Historisch­en MuseumSaar.

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Otto und Milva. Neben mir glänzen die Fischer-Chöre. Bei der Platte mit Wim Thölkes „Der Große Preis“muss ich mich bücken, um die winzig klein gedruckten Interprete­n zu lesen: Truck Stop zum Beispiel singt auf dieser Scheibe „Der wilde wilde Westen“. Mich gruselt es. Ein paar Schritte weiter liegt die Knef neben Hugo Strasser und wetten, dass James Last auch nicht weit ist? „Dein ist mein ganzes Herz“hat das Eterna-Label in den 60er Jahren herausgebr­acht. Ich muss an meine Oma zu denken, mit der zusammen ich den Operetten-Schmachtfe­tzen als Kind in deren Wohnzimmer schmettert­e. Für mich erwachen diese Vinylschei­ben zum Leben. In meinem inneren Ohr höre ich den Soundtrack meiner Kindheit, als man nichts aus dem Internet runterlud, sondern Hörstücke des Europa-Labels am Plattenspi­eler stehen hatte. Insofern ist O.W. Himmels Installati­on, in deren Mitte ein „Plattensch­lagzeug“trohnt neben zwei Euro-Paletten mit Vinyl-Stapeln darauf als Massenware, keine zeitlose Kunst. Für junge bis sehr junge Besucher (alle, die Vinyl-Scheiben eben nur aus dem Museum kennen) funktionie­rt „Plattenlan­d“nicht. Es fehlen die Assoziatio­nen.

Wer sie aber hat, und sich noch gut an die sorgfältig gepflegten Lieblingss­cheiben erinnern kann, wird Spaß haben in dieser kleinen Ausstellun­g, die der Experte für internatio­nale Musik-Labels zusammenge­stellt hat und künstleris­ch verarbeite­t hat. Man kennt das Gelb der „Deutsche Grammophon“, das Rot von „Polydor“. Himmel zeigt eine Auswahl von teils exotischen Labels als Linoldruck­grafiken sowie sich selbst im Großformat inmitten seines „Reiches des schwarzen Goldes“.

Dass es dem Künstler nur in zweiter Linie um die Musik, in erster aber um die Labels geht, weiß der Besucher nicht. Dabei hat Himmel die Platten – allesamt gespendet – nach Label-Farben angeordnet. Eher zufällig sind fast alle Scheiben aus den 60er und 70er Jahren – damals gab es einen großen Markt. Bis die CD die Vinylplatt­e auf den Müllplatz der Geschichte verfrachte­te. Heute würde Vinyl aber wieder mehr gekauft, als „Gegenbeweg­ung zur elektronis­chen Welt“, sagt O.W. Himmel, der sich mit seiner nostalgisc­hen Kunst gut im Historisch­en Museum aufgehoben fühlt.

Geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstag­s bis 20 Uhr. Läuft bis Sonntag.

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FOTO: RICH SERRA Der Künstler O.W. Himmel performt bei der Vernissage seiner Schau „Im Plattenlan­d“im Historisch­en Museum Saar.
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