Demonstration gegen die wachsende Armut
Im Regionalverband lebt die Hälfte aller saarländischen Hartz-IV-Empfänger, und viele müssen zu den Tafeln gehen.
die Wärmestube kommen, der kommen will. Ihre Vergangenheit, Religion oder Herkunft ist uns vollkommen egal“, sagt Klaus Birkenberger. Das Essen werde hier nicht verschenkt, es sei nur sehr, sehr günstig. Denn auch das sei ein Teil dieser Würde, dass man sein eigenes Essen bezahle und nicht zur „Armenspeisung“komme. Deshalb würden die Menschen hier auch als Gäste betrachtet, nicht als Bettler. So entstehe auch ein soziales Gefüge untereinander, das viele zu schätzen wissen und auch deswegen immer wieder kommen, nicht nur wegen des günstigen Essens.
Einer von ihnen ist Volker Käfer, ein 58-Jähriger in Lederjacke, mit grauen Haaren und dünnem Schnurrbart. Im Heim aufgewachsen, wurde er mit 13 Jahren von seinem Erzieher mehrere Monate lang missbraucht. Das habe ihn psychisch zerstört, mit 17 Jahren begann er zu trinken, mit 18 war er zum ersten Mal obdachlos. Er blieb nicht sein ganzes Leben obdachlos und in Armut, sondern hatte immer wieder mal einen Job. Er wurde jedoch immer wieder rückfällig und schaffte es nie, seine Arbeit zu behalten. Genauso wenig wie seine Beziehungen. Das Trauma von damals habe ihn beziehungsunfähig gemacht - unfähig, jemandem richtig zu vertrauen. „Sobald mir jemand zu nahe kommt, mache ich alles, dass diese Beziehung kaputtgeht“, sagt er. Etliche Therapien konnten ihm nicht helfen, auch heute noch bricht er mit bebendem Gesicht in Tränen aus, wenn er über seine Vergangenheit spricht. Ab November soll er wieder Hartz IV erhalten, also wieder in Armut leben. Auch dass er für seinen Missbrauch vor einigen Jahren 20 000 Euro Entschädigung erhielt, konnte ihm nicht helfen. „Ich hab‘ damals zu denen gesagt: „Ihr könntet mir 20 Millionen geben, und das würde auch nicht mehr ganz machen, was mir dadurch alles kaputtging‘“, erzählt er.
Letztendlich gibt es ganz viele Wege in die Armut. Sei es wie bei Volker Käfer die Alkoholsucht, die durch ein Trauma hervorgerufen wurde, oder einfach Unglück, wie beim Verlust der Arbeit. Deswegen sei es so wichtig, auf die Menschen als Individuen einzugehen, und sie nicht als „die Armen“zu betrachten, meint Edlinger. Er wolle nicht nur über diese Gruppe reden und für sie fordern, sondern gemeinsam mit ihnen erarbeiten, was ihnen fehlt. Dadurch erhielten diese Menschen eine Lobby, um ihnen irgendwann wieder eine Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen. Und dafür gehen sie auch auf die Straße — unter dem Motto „Reichtum verpflichtet“. Denn all das, was er aufgezählt hat, dürfte es im reichen Deutschland eigentlich nicht geben, sagt Wolfang Edlinger.